„DOGOD. The Situation“, Barbara Berti ©Barbara Berti

Who let the dogs out?

Barbara Berti lässt uns mit „DOGOD. The Situation“ zum Abschluss des fünfwöchigen SUBMERGE Festivals 2021 in den Lake Studios Berlin an ihrer performativen Arbeit mit Hunden teilhaben und wir sind ganz Ohr.

Zu hören sind im Verlauf des knapp einstündigen Stückes neben rezitierten Textstücken und Atemgeräuschen der drei Performer*innen (Rocio Marano, Paolo Rosini und Barbara Berti) vor allem immer wieder die kleinen Tippelschritte der Chihuahuas, wenn sie über den Holzboden des Tanzstudios laufen und neugierig an den Schuhen der Zuschauenden schnuppern. „DOGOD. The Situation“ kommt ganz ohne Musik aus und schafft dadurch eine achtsame Stimmung des fokussierten Miteinanders, welches Mensch, Tier und Raum in Verbindung treten lässt.

Die langsamen Bewegungen der Performer*innen sind aufeinander abgestimmt und man kann ihnen ansehen, dass der empathische Umgang mit den Vierbeinern auf Vertrauen beruht. Die drei tierischen Darsteller*innen (Rudi Pistacchio, Boki und Lilli) hat Barbara Berti gecastet, da sie selbst keinen Hund hat. Ein besonderes Händchen für Hunde hat sie allerdings und so sind die zwei Chihuahuas und der Pudel während der Probenphase gewissermaßen in einer Art therapeutischer Behandlung bei ihr. Körperliche Traumata können auch kleine Hunde haben, wie sie im Gespräch berichtet. Mit entsprechenden Massagen und viel Aufmerksamkeit baut sie nicht nur eine emotionale Verbindung zu ihnen auf, sondern unterstützt sie auch, sich generell körperlich wohl und sicher zu fühlen. Wie entspannt die Hunde dann auch im Stück sind, können wir als Zuschauende fasziniert beobachten, wenn sie auf dem Rücken der Performer*innen surfen oder gelassen von einem Menschen zum anderen über deren Hüften und Gliedmaßen laufen.

Ihr gutmütiger und sicherer Ritt auf den tanzenden Körpern bringt eine neue Sichtweise ins Spiel. Wenn Tanz die Beziehung zwischen Körpern und Raum bedeutet, stehen wir zunächst vor der ungewohnten Situation, einen kleinen vierbeinigen Tierkörper in dieses System der Relationen einordnen zu müssen. Genau das öffnet ein spannendes Feld, denn die vorsichtigen Bewegungen zweier Performer*innen sind kein Duett mehr sondern ein Trio, wenn ein Hund zwischen Nacken und Schulterblättern balanciert. Die menschlichen Körper werden in ihrer Bewegungsexploration von eben diesen tierischen Wesen bestimmt und geführt. Tänzerische Sequenzen ohne Hund sehen wir, mindestens an diesem Abend, nun ebenfalls anders. So hat Barbara Berti die Beziehung zum Raum, die im zeitgenössischen Tanz unermüdlich erforscht wird, um eine speziesübergreifende Dimension erweitert.

Spannend ist auch, die Tiere in ihrem Beobachten des performativen Geschehens selbst zu beobachten. Es ist nicht nur der kognitive Fokus, sondern eine Aufmerksamkeit des gesamten Körpers, die sie der jeweiligen Situation zuteil werden lassen. Dass das für künstlerische Prozesse, die den Körper ins Zentrum des Interesses stellen, inspirierend ist, liegt daher näher, als wir vielleicht zunächst gedacht hätten.

Ihre Arbeit versteht die in Berlin lebende italienische Künstlerin als performative Praxis und es wird durchaus sichtbar, dass ihre Choreografien unter anderem von Contact Improvisation, Somatics und einer Neugier auf ein tieferes Verständnis von Beziehungen beeinflusst sind. Für den Abend in den Lake Studios hat sie mit ihren menschlichen Performer*innen Rocio Marano und Paolo Rosini eine klare choreografische Struktur entworfen. Wie der Titel inklusive Wortspiel von Dog und God anklingen lässt, erleben wir als Zuschauende spielerisch verschiedene Situationen und vor allem Posen der unterschiedlichen Körper, die ungezwungen ein räumliches Miteinander erforschen.

Fotos: „DOGOD“, Barbara Berti ©Barbara Berti

Im Ankündigungstext schreibt Berti, dass Körperlichkeit für sie ein Mittel zur räumlichen Kommunikation ist und somit Ausdruck des eigenen Territoriums anstelle von Identität. Dieses Verständnis verknüpft sie mit Donna Haraways Anregung, die Beziehungen zwischen den Arten zu überdenken. Reflektionen darüber, wie wir uns im Gegenüber sehen und wie wir uns gegenseitig beeinflussen, werden im Zusammenhang mit den Vierbeinern gewiss grundlegend anderes gefärbt. Denn die Projektion des eigenen Selbst auf einen Hund ist weitaus weniger ausgeprägt und so macht uns das tierische Gegenüber wohl vor allem eine andere Sichtweise bewusst, wenn wir es als Teil des Ganzen ernst nehmen und uns auf seine Perspektive einlassen. Die eigene Identität als Mensch rückt für die Künstler*innen dann vielleicht ein Stück weit in den Hintergrund, wenn die verschiedenen Bewegungsformen sowie Lebenswelten von Mensch und Tier in Kontakt treten, ohne eins zu werden. Gerade dieser theoretische und speziesübergreifende sozialphilosophische Hintergrund macht die Arbeit von Barbara Berti spannend und wir sollten Augen sowie Ohren offenhalten für weitere, hoffentlich von Donna Haraway gefütterte, Gedanken und Arbeiten der Künstlerin.


„DOGOD. The Situation“ von Barbara Berti war im Rahmen eines Doppelabends am 07.08.2021 gemeinsam mit Areli Morans „La postal de nuestra existencia“ (auf tanzschreiber: https://tanzschreiber.de/en/long-black-hair/, Inky Lee, 17.01.2020) in den Lake Studios Berlin zum Abschluss des diesjährigen SUBMERGE Festivals zu sehen