„Körper und Seele, oder: Draußen bei den Innereien“, Käthe Kopf. Filmstill ©Aïsha Mia Lethen Bird

Beseelte Zwischenräume

In „Körper und Seele, oder: Draußen bei den Innereien“ verhandelt Käthe Kopf ihre Perspektiven als Choreografin, Autorin und Ärztin. Das Online-Glossar zeigt auf der eigens entstandenen Webseite in kurzen filmischen Sequenzen eine poetische und kluge Annäherung an die Dimensionen der Seele.

Sich gemeinsam auf die Suche nach der Seele zu machen ist das Eine. Sie zu finden das Andere. „Wär’ ja auch krass“ heißt es dazu in der Projektbeschreibung. Wie beseelt das Internet, in welchem wir uns für die Rezeption dieser Arbeit bewegen, sein kann, bleibt mir als Frage im Hinterkopf, während die sprachlich und auch visuell starke Webseite erst einmal meine Neugier weckt.

Auf der Startseite der Homepage sehe ich zunächst vor schwarzem Hintergrund die Kontur einer Form mit dem Buchstaben G in der Mitte. Sie könnte aus der Architektur entnommen sein, erinnert aber auch an einen abstrahierten menschlichen Körper. Was ist das für eine Gestalt und warum schwirren Zahlen um sie herum? 

Das Schemenwesen, wie ich später im persönlichen Gespräch mit der Künstlerin Käthe Kopf erfahre, ist zu einer Art Logo für das Projekt geworden. Es kommt in Form eines riesigen Stoffes, den Käthe beispielsweise behutsam ausbreitet, immer wieder auch in den kurzen Videos vor. Es fehle ihm zwar die (menschliche) Tiefe, denn es ist flach und bleibt entsprechend oberflächlich, so die verbale Beschreibung der Performerin, doch dieses Schemenwesen soll der Suche vielleicht einen Rahmen geben. Und wenn Käthe, aus der Vogelperspektive gefilmt, auf dem ausgebreiteten schwarzen Stoff liegt, wirkt es fast, als wäre ihr verhältnismäßig kleiner Körper des Wesens Seele. Diese Art von Doppeldeutigkeit und freie assoziative Zuschreibung ist es, mit der die insgesamt sechzehn Kurzvideos des Glossars im Verlauf des letzten halben Jahres entstanden sind. Ähnlich wie in einem anatomischen Nachschlagewerk sind die einzelnen Teile mit Nummern versehen und beim Anklicken einer Zahl vertiefe ich mich mittels des kleinen Films in eine bestimmte Dimension.

Das Präsentationsformat der Webseite mit Kurzfilmen ist das künstlerische Ergebnis der Corona-bedingten Umstände, die Arbeit nicht live in den Uferstudios im Wedding gezeigt haben zu können. Die filmische Aufzeichnung und vor allem die aufwendige Postproduktion des Materials wurde von Aïsha Mia Lethen Bird übernommen und bringt eine bemerkenswerte Ästhetik mit sich. Im Zusammenspiel mit dem Lichtdesign von Hanna Kritten Tangsoo kann so selbst auf dem flachen Bildschirm des Laptops eine räumliche Tiefe entstehen, die die Performerin und ihre sprachlichen Finessen behutsam durch die performativen Annäherungsversuche an die Seele und ihren Körper trägt. 

Immer wieder finde ich mich in einer neuen Umgebung oder bisher unbemerkt gebliebenen Ecke des Raumes wieder, wenn ich auf eine neue Zahl klicke und das nächste Video anfängt. Diese Vielzahl von Stimmungen einzufangen und variabel kombinieren zu können, wäre vor Ort so nicht möglich gewesen und auch die selbstbestimmte Entscheidung, wann ich welches Video sehen möchte, ist letztlich ein Vorteil des Onlineformats. Denn die Reihenfolge der, zwischen einer und elf Minuten langen, Filme ist eigentlich nicht entscheidend, wie mir Käthe verrät. Es gibt natürlich ob der Nummerierung ein dramaturgisches Angebot an die Zuschauenden, doch es ist auch eine Einladung, selbst in Interaktion mit den Inhalten zu treten und auszuwählen, welches Video ich als nächstes anschaue.

Die sechzehn Sequenzen sind vor allem entlang der Objekte entstanden, die den Bühnenraum mit der Performerin teilen und diesen immer wieder neu zu gestalten vermögen. Es gibt verschieden große rechteckige Formen, manche davon haben eine Art Nase, andere einen gewellten Rand und sind handlich schmal, auf wiederrum anderen, gestapelten, kann man sitzen. Der Teppich ist ein Hybrid aus Decke, Flugkörper und Spielgefährte und die kleinen Tonfiguren sind vor allem Kopf und Gesicht. Diese modularen Elemente nehmen als Mitwirkende der Performance eine zentrale Rolle ein und der Produktion dieser Requisiten ging eine lange Phase von Gesprächen und gemeinsamer Recherche mit Käthe voraus, wie Lena Kiss, die Szenografin und Kostümbildnerin des Stücks, scheibt. Sich selbst in Bezug und Beziehung zu den verschiedenen Objekten aus überzogenem Styropor, Stoff, Ton und Kunststoff zu setzen, war für Käthe Kopf ein wichtiger Ausgangspunkt für die Stückentwicklung. Denn die in der Performance gesprochenen Sätze beispielsweise, haben sich für die sprachgebundene Künstlerin erst ausgehend von ebendiesen Gegenständen und Stoffen geformt. Mit der Frage, wie die verschiedenen Formen, Farben und Qualitäten der Objekte zu uns sprechen, aber auch mit welcher Bedeutung und Eigenart wir sie belegen, hat sich Käthe ihren zunächst leblos wirkenden Mitspielenden genähert. 


„Körper und Seele, oder: Draußen bei den Innereien“, Käthe Kopf. Filmstill ©Aïsha Mia Lethen Bird


Begleitet von der teils stimmungsvoll ruhigen, teils verspielten Musik von Simon Geuchen entfaltet sich nach und nach tatsächlich ein beseeltes Universum. Ein stummer Dialog zwischen der Performerin im Lichtfenster und den menschenähnlich arrangierten Objekten neben ihr versprüht das vertraute Gefühl von Zweisamkeit. Irgendetwas ist da mit im Raum und nimmt uns leichtfüßig und kopfüber mit in eine Welt der Zwischenräume, wie es die verantwortliche Dramaturgin Alex Hennig treffend beschreibt. Der Raum zwischen den Bedeutungsebenen ist für sie Bewegung, sagt Käthe Kopf und ihr komplexes, mit raffinierten Wortspielen gespicktes Stück, lässt sich tatsächlich nur in einem spannenden Zwischen von Tanz, Bildender Kunst und Theater verorten.


„Körper und Seele, oder: Draußen bei den Innereien“ von Käthe Kopf versammelt seit Anfang März 2021 auf www.draussenbeideninnereien.com sechzehn kurze Filme und ist derzeit noch frei, sowie perspektivisch auf Anfrage, verfügbar. Am 9. Juli 2021 wird der offizielle Soundtrack veröffentlicht.