„ZWINK“, Katrin Schafitel & Katrin Vogel ©Dieter Hartwig

Mysteriöses Tanzobjekt vor der Zionskirche

Im Rahmen des soundance festival berlin wurde am 11. Juni 2021 das Tanzprojekt „ZWINK“ von Katrin Schafitel vor der Zionskirche im Prenzlauer Berg uraufgeführt. Strukturiert als improvisierte Begegnung zwischen Tanz und Musik (Katrin Vogel), ereignet sich die Choreografie in Form eines interaktiven Spaziergangs, der das Publikum in Bewegung setzt und den öffentlichen Raum aktiviert.   

Nach mehreren Monaten, in denen Aufführungen nur im Format digitaler Streams zugänglich waren, kann nun wieder mit einem Publikum getanzt werden. Wir versammeln uns auf der Wiese vor dem Kirchenportal am Zionskirchplatz. Es ist ein sonniger Freitagnachmittag, ideal für einen Open-Air-Tanz. Während sich die Tänzerin (Katrin Schafitel) in einem überdimensionierten Objekt-Kostüm (Design: Robert Kis) langsam zu bewegen beginnt, fängt Katrin Vogel an, mit ihrem Alphorn Töne zu produzieren. Die ungewöhnlichen Geräusche vermischen sich mit dem Lärm der Stadt. Auf den ersten Blick ist man verblüfft. Das tragbare Objekt, das gleichzeitig als Szenografie und als Requisit funktioniert, widersetzt sich einer eindeutigen Identifizierung und Klassifikation. Es besteht aus langen und bunten Schaumstoff-Fetzen, die zusammengenäht sind und die Form einer Raupe, eines kopflosen Drachens oder eines künstlichen Busches annehmen können, je nach eigener Imagination, die man auf das Objekt projiziert. Das Objekt kann, da es getragen wird, schnell die Gestalt ändern und dient so der Erweiterung des choreografischen Handelns. Es ermöglicht interaktive Prozesse, die besonders dann zum Vorschein kommen, wenn die Tänzerin sich zwischen den Menschen bewegt oder auf Kinder zugeht. Wird mit dem Objekt die Aufmerksamkeit auf visuelle Wahrnehmung gelenkt, tritt durch die Verwendung des Alphorns die auditive Ebene der Aufführung hervor. 

Wie die Choreografie, die sich aus improvisierten Bewegungen entfaltet, spielt Katrin Vogel keine vorgefertigte Komposition. Man könnte also das Fazit ziehen, dass „ZWINK“ ein Improvisationsquartett ist, welches aus zwei Personen und zwei Objekten zusammengesetzt ist, deren ästhetische Konstellation eine phantasievolle Welt ins Leben ruft, die eindrucksvolle Klangbilder hinterlässt. Wie man im Ankündigungstext lesen kann, werden „Die Schönheit und Poesie des Lebendigseins im öffentlichen Raum erfahrbar. […] Der Charme eines flüchtigen Augenblicks, eines Lächelns, eines Zwinkerns in Bewegung und Begegnung.“ Nachdem sich die Aufführung zuerst vor dem Kircheneingang ereignet hat und das Publikum statisch war, wurden die Zuschauenden im zweiten Teil mobil und folgten der Tänzerin und der Musikerin auf ihrer Entdeckungsreise um die Kirche. Auf diese Weise wurden zufällige Passant*innen zum Teil der Inszenierung, wodurch die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit verunsichert wurden. 

Dadurch, dass die Choreografie das Publikum selbst in Bewegung bringt, richtet sich die Wahrnehmung auf die Verflechtung von Raum und Körper. Indem die Tänzerin oft unsichtbar bleibt bzw. vollständig hinter dem Kostüm verschwindet, verwirklicht sich der Tanz als animiertes Objekttheater. Die Spielweise oszilliert zwischen einem fröhlichen Modus, der mit einer melancholischen Art kontrapunktiert wird. Der Rhythmus wird dabei durch die verfremdenden Klänge des Alphorns diktiert. Dynamische und schnelle Bewegungen, die in ihrer Ausrichtung senkrecht sind, wechseln den Kurs und werden in eine langsame und horizontale Ebene überführt. Bei diesen Richtungswechseln spielt die Musik eine wichtige Rolle und ermöglicht, dass die Übergange klar markiert sind. Aus thematischer Sicht vermittelt „ZWINK“ keine eindeutige narrative Struktur, sodass sich eine Interpretation auf freie Assoziationen stützen muss. Das mysteriöse Objekt und die surreale Atmosphäre, die durch das Zusammentreffen von Tanz und Musik zu Stande kommen, lenken die Aufmerksamkeit auf die ambivalente Beziehung zwischen Mensch und Natur. Im Fokus steht die Frage nach spielerischen Formen des Miteinanderseins in öffentlichen/urbanen Räumen, aber auch die Frage nach einem ökologisch bewussten Umgang mit Gegenständen und Dingen. Die choreografische Reise endet unter einem Baum neben der Kirche. Der laute Glockenschlag vermischt sich mit den immer leiser werdenden Tönen des Alphorns. Es ist sechs Uhr. Die Tänzerin trennt sich vom Kostüm. Die Frühlingsbrise erfüllt die Luft und die Menschen verlassen lächelnd den Ort. 


Als Videostream ist „ZWINK“ noch vom 23.-26. Juni 2021 unter https://soundance-festival.de/event/zwink/ zu erleben.

Das soundance festival berlin – Internationales Festival für zeitgenössischen Tanz und Musik findet vom 11. bis 27. Juni 2021 statt, hier findet sich das vollständige Programm: https://soundance-festival.de/events/.