„Waves#1 – Listening Sessions Towards Social Bodies“, Siegmar Zacharias ©Siegmar Zacharias

Kollektive Klangkörper

In Kooperation mit FFT Düsseldorf und den Sophiensælen Berlin fand am 25. Mai 2021 die erste Ausgabe von Siegmar Zacharias „Waves – Listening Sessions Towards Social Bodies“ statt. Die auditive Installation wurde in Form einer Audio-Datei per Zoom an das Publikum vermittelt und das Hörerlebnis wurde im Anschluss gemeinsam mit der Künstlerin diskutiert. 

Obwohl es mittlerweile deutlich geworden ist, dass Digitalität ein schlechter Ersatz für Ko-Präsenz ist, erschafft Siegmar Zacharias mit „Waves“ eine intensive und leiblich-relationale Wahrnehmung. Wie die Künstlerin am Anfang des Meetings feststellt, navigieren die „Listening Sessions“ zwischen Verfremdung und Intimität, womit die Aufmerksamkeit auf das Getrenntsein der Teilnehmer*innen gerichtet wird. 

Es folgen präzise Anweisungen: Holen Sie sich ein wärmespendendes Objekt, eine Decke oder einen Körper, mit dem Ihr gemeinsam Hören werdet. Machen Sie es sich bequem und optimieren Sie dadurch die Resonanzfähigkeit der Organe, die wieder das Vibrieren erlernen müssen, um geheilt zu werden. Wichtig ist, einen schweren Gegenstand parat zu haben. Am besten wäre ein Stein oder vielleicht eine Urne, wie diejenige, die Zacharias in ihren Armen hat und vor die Kamera hält.

Danach wird man auf die Soundcloud verwiesen. Dort hat die Künstlerin eine binaurale Komposition hochgeladen, die sie zusammen mit ihrem Team entwickelt hat. Binaurale Klänge unterscheiden sich von „normalen“ Stereoaufnahmen dadurch, dass hier dem Ohr die räumliche Verortung der Schallwellen ermöglicht wird. Im konkreten Fall der „Waves – Listening Sessions“ bedeutet dies, dass man verfolgen kann, wie sich der Ton von links nach rechts und von oben nach unten bewegt. Diesbezüglich wird in  der Ankündigung erläutert: „Der Schall kreist um den Planeten, durch Wasserkörper und Materie. Seismische Wellen erschüttern den Grund, auf dem wir leben.“ 

Zu hören sind Atemklänge, die eine dichte Präsenz erzeugen und den Körper in einen nahezu meditativen Zustand versetzen. Nach etwa sieben Minuten wird das Atmen durch einen von Zacharias gesprochenen Text unterbrochen. Es ist eine poetische Kontemplation über Trennung, Trauer und Phänomene, die sich der Wahrnehmung entziehen, um als imaginäre Welten wiederkehren. Je länger man der Stimme und den Klängen folgt, desto intensiver wird das Gefühl räumlicher Desorientierung, die eine rauschhafte Beschaffenheit entfaltet. Da die Geräusche auch als Wind oder Rauschen des Meeres interpretiert werden können, hatte ich mehrmals den Eindruck, als befände ich mich an einem anderen Ort. Der intensive akustische Rahmen, der den Fokus auf die eigene Wahrnehmung lenkt und daher das Alleinsein verstärkt, widersetzt sich der Tatsache, dass sich das Hören vor den Bildschirmen ereignet. Präziser formuliert: man ist alleine und dennoch mit anderen Teilnehmer*innen via Stream und Kamera verbunden. Diese ambivalente Situation, in der wir zusammen getrennt waren, wird zum Ausgangspunkt des anschließenden Gesprächs. 

Nach etwa dreißig Minuten ist die Audio-Datei, die den Titel „Resisting Disconnect“ trägt, fertig. Nun findet eine Art Q&A Gespräch statt, in dem die Teilnehmer*innen ihre Eindrücke und Gedanken mitteilen. Sie berichten von der Wirkung der akustischen Vibration, die unterschiedliche Energien in Bewegung versetzt hat. War man im Akt des Hörens der einsamen Wahrnehmung ausgeliefert, um dadurch jener leiblich-intime Dimension des Klanges nachzuspüren, wird das Augenmerk nun auf die Sozialität akustischer Erfahrungen gerichtet. An der Schnittstelle zwischen dem einzelnen Körper und seiner Vernetzung, figuriert der Klang als Bindeglied von Individuen und Strukturen. Das Hören wird zum Berühren. Eine Praxis, wie Zacharias abschließend bemerkt, die auf gesellschaftliche Transformation abzielt und neue Formen des Zusammenseins entfaltet. 


Von Mai bis Dezember 2021 bieten Siegmar Zacharias und ihr Team gemeinsam mit dem FFT Düsseldorf und den Sophiensælen Berlin die Reihe „Waves – Listening Sessions Towards Social Bodies“ an. Die Listening Sessions finden auf Zoom statt und sind offen für alle. Sie bestehen aus einer Einführung, einer gemeinsamen Hörerfahrung und einem integrierten Austausch der Teilnehmer*innen. Nächster Termin ist der 23. Juni 2021.

Zur Webseite der Künstlerin Siegmar Zacharias.