Julek Kreutzer und Diethild Meier, Kuratorinnen des A.PART-Festivals 2020 ©Aïsha Mia Lethen

Ein Festival mal anders: Das A.PART-Festival im Dialog zwischen Recherche und Produkt

Die Berliner Tanzszene bringt sich ins Spiel, um kreative, aber auch nachhaltige Lösungen zu finden die Krise zu überstehen. Trotz der vielen Absagen findet das A.PART-Festival vom 18. April bis 17. Mai 2020 am ada Studio im digitalen Raum und mit einem entsprechenden neuen Format statt.

Das A.PART-Festival für Berliner Tanz-Studierende und -Alumni wird erst zum zweiten Mal am ada Studio & Bühne für zeitgenössischen Tanz Berlin veranstaltet und ist bereits ein begehrter Termin im Berliner Tanzkalender, um den Nachwuchs der verschiedenen Berliner Tanzausbildungen zu sehen. Statt das Festival abzusagen, haben sich die neuen Kuratorinnen, Julek Kreutzer und Diethild Meier, für einen anderen Weg entschieden: durch einen Blog werden die eingeladenen Künstler*innen (insgesamt 16 Produktionen: neun Studierende mit fertigen Stücken und sieben Absolvent*innen mit Konzepten für neue Werke[1]) mit ihren Rechercheprozessen sichtbar gemacht. Und zugleich verzichtet man auf das, was man normalerweise als Endprodukt betrachtet: die Vorstellungen. Viele könnten sich fragen: Was ist dann übrig? Wir haben uns für Tanz entschieden, weil wir mit dem Körper arbeiten wollen, aber was passiert, wenn man sich nicht treffen kann? Wenn das Publikum nicht zur Vorstellung kommen kann, und wenn die Tänzer*innen auch nicht proben können?

Was das Kuratorinnen-Duo vorschlägt (und was ich in unserem Gespräch via Zoom verstehen konnte), ist eigentlich ein Balanceakt auf mehreren Ebenen der verschiedenen und oft entgegengesetzten Bedürfnisse der Künstler*innen, des Publikums und der Institutionen. Mit dem Blog Dancing through Times of Physical Distancing haben sie sich bewusst für ein ‘Zwischen’-Format entschieden, welches die sogenannte ‘hidden labour’, das normalerweise versteckte choreographische Arbeiten offenlegt. Die Künstler*innen haben so immer noch die Möglichkeit, am Festival teilzunehmen, und das Publikum wird nicht mit einer weiteren gestreamten Veranstaltung bedrängt. Die so entstandene Dokumentation soll dem Publikum einen tieferen Einblick in die kreativen Prozesse und das Handwerkliche des choreographischen Schaffens schenken. Die Arbeit, die hinter den Kulissen passiert, wird schlussendlich von vielen Nicht-Tanzschaffenden unterschätzt. Dadurch rutscht aber die Verletzlichkeit des künstlerischen Prozesses in den Vordergrund, der Blog ist entsprechend zugleich privat, aber auch öffentlich (auch dies eine Zwischen-Form), wenngleich die Präsentationen der Künstler*innen nur eine ausgewählte Sammlung von Ideen, Emotionen, Erlebnissen, Scores usw. sind. Für einige Künstler*innen stellt sich die Frage, wie viel von dieser Recherche sie öffentlich teilen wollen, um später noch auf die Bühne treten zu können, und für andere, wie man eine fertige Arbeit in ein anderes Medium übersetzen kann. Als Gegenpol zur Frage nach einem sicheren Ort des Experiments stellt sich die nach dem Publikum. Dieses Format hat den Vorteil, potentiell ein größeres Publikum zu erreichen, auch weil der Wunsch schlussendlich ist, andere Menschen für zeitgenössischen Tanz zu interessieren.

Die Nachteile sind allen klar: Proben und Vorstellungen finden nicht statt oder verlagern sich in eine unvorhersehbare Zukunft. Auf eine Art aber hat diese (erzwungene) Digitalisierung Leute auf andere und unerwartete Weisen zusammengebracht. Mit der Sichtbarkeit des digitalen Raumes kann man mit anderen Künstler*innen, die (physisch) gar nicht in Berlin sind, intensiver in Austausch treten, und so wurden auch transatlantische künstlerische Begegnungen Teil dieser Festivalausgabe 2020. Durch die Kommentarfunktion des Blogs sind sich auch einige der Künstler*innen näher gekommen, als das sonst während des Festivals der Fall ist.

Diesem kapitalistischen Drang zur Produktion ‘no matter what’ zu entgehen (in dem sich auch die Kunst mit Förderungen und Residenzen befindet) und Platz für Recherche zu schaffen, finde ich eine mutige und nötige Entscheidung. Das Pilotprojekt Tanzpraxis mit der kontinuierlichen Förderung von circa 40 Berliner Tanzschaffenden ab Juli 2020 geht auch in dieselbe Richtung. Ohne Recherche können keine guten Werke entstehen, und der Blog macht die Fülle dieser Recherche-Arbeit ganz klar sichtbar.


Der Blog Dancing through Times of Physical Distancing des A.PART-Festivals 2020 kann unter https://apart-festival.blog/ gelesen werden (auf Englisch).


[1] Die eingeladenen Künstler*innen sind: Jeanne Binet, Tzuhsiang Chang, Clara Dünnebeli, Lauren Fitzgerald, Hoya Geiger & Roxane Monfort, Sophie Geisler, Lina Georgieva, Cajsa Godée & Sepideh Khodarahmi, Hugo Hedberg, Julia Keren Turbahn & Simone Gisela Weber, Alica Minárová, Maria Rutanen, Sunayana Shetty, Milla Toppi, Silja Tuovinen, Amy van Weert.