„Water Sports“, Karol Tymiński ©Katarzyna Szugajew

Aquaphile Transgression

Als Teil des Festivals OPEN SPACES – Laughing & Loving inszeniert Karol Tymiński mit „Water Sports“ eine erotische Intensitätszone des Ekstatischen, in der die Grenze zwischen organischer und anorganischer Lust überschritten wird.

Schwüle, dumpfe Hitze erfüllt das Studio 14 in den Uferstudios. Der leicht modrige, jodgetränkte Geruch von Seetang schwebt in der Luft. Drei Körper liegen leblos zwischen mit Wasser, mit Seetang oder mit blutig-roter Flüssigkeit aufgeblasenen Kondomen, vereinzelten Ästen und Gestrüpp in einem flachen Pool, der den Bühnenboden bildet. Was anfangs als lebloses Treibgut erscheint, versetzt sich nun langsam in Bewegung. Zunächst träge und schwerfällig, aber zunehmend aktiver und wacher werdende Körper versuchen sich gegenseitig anzuheben und zu halten, aber rutschen aus, fallen hin, geraten ins Stolpern, fangen sich wieder auf und klatschen ins Wasser, das umher spritzt und Wellen schlägt. Wenn sie durch das knöcheltiefe Wasser schlittern und sich aneinander schmiegen, erinnert die glibberig glitschige Konsistenz der Blasengebilde an Organismen. Ich spüre, wie die Schwüle im Raum mir zu Kopf steigt, die eisige Kälte von draußen ist vergessen.

Die drei Tänzer*innen Claire Vivianne Sobottke, Kasia Wolinska und Karol Tymiński bewegen sich in einem feuchten Milieu, in dem das Wasser zur Geliebten wird und biologisch-binäre Normen von Sexualität überschritten werden. Sexualität, wie sie in „Water Sport“ inszeniert wird, erscheint ausdrücklich pervers, im Sinn von anti-normativ, als eine allen organischen und anorganischen Dingen innewohnende Triebkraft.

Sowohl die Körper der Tänzer*innen, wie auch die Blasengebilde sind Teil eines ozeanischen Lustgartens, der gehegt und gepflegt werden möchte: es wird umgepflanzt, es werden Bäche angelegt und Ströme umgeleitet, Wasserfälle und Fontänen konstruiert – aber vor allem: Wasser aus der engen Gummihaut der Kondome befreit. Wasser – das unberechenbare, unergründliche und unbeständige Element und Ursprung allen Lebens. Es wird hier nicht nur zum Objekt der Begierde und zum zentralen choreographischen Material, sondern vor allem zu einem Medium das allen organischen und anorganischen Dingen gemeinsam ist. Die Körper nähren sich vom Wasser und erleben orgiastische Lust bei dem Versuch, sich mit ihm zu vereinigen. Wenn ein zarter Wasserfall sich über den Körper von Sobottke ergießt oder ein Wasserkondom nach dem anderen über dem Kopf von Tymiński zerschlagen wird, sodass er, dem Wasser ausgeliefert sichtlich keine Luft mehr bekommt. Die Grenze zwischen Lust und Selbstzerstörung verwischt. Kann Begehren nur am Rande totaler körperlicher Erschöpfung gestillt werden? 

War die Lustbefriedigung, die die gefährliche Grenze der physischen Erschöpfung berührt, zunächst auf den Choreografen des Stückes Karol Tymiński fokussiert, rücken im Laufe der Performance die beiden Tänzerinnen Claire Vivianne Sobottke und Kasia Wolinska ins Zentrum der Ekstase. In der vielleicht schönsten Szene hat sich Tymiński ruhig entspannt an den Rand des Pools niedergelassen. Sobottke und Wolinska schleudern wiederholt mit großen ausholenden Bewegungen ihre langen in Wasser getränkten Haare durch den Raum und verteilen Wasserspritzer weit in den Bühnenraum hinein. Der anschwellende Beat der Musik okkupiert und sprengt den Raum ebenso wie die Körper, die sich mit zunehmend exzessiven Bewegungen dem Raum öffnen. Als Claire Vivianne Sobottke schließlich dazu mit voller Kraft in ein Mikro schreit, wird die Stimmung spürbar gewalttätiger und dunkler. Bis an den Rand der physischen Erschöpfung treiben sich die Körper. Ein Moment der Transgression. Der Eintritt in eine Sphäre des Orgiastischen und der hemmungslosen Verausgabung der Körper, die mit den physischen zugleich die Grenzen der kulturell-gesellschaftlich determinierten Ich-Identität sprengt? Oder die utopische Erschaffung einer orgiastischen Form des Zusammenlebens? Im kontingenten Moment der Verausgabung stürzen wir ins Unaussprechliche.