„Part of you“, Grupo Oito © Ute Langkafel/MAIFOTO

Wann ist es genug?

Im Ballhaus Naunynstraße kämpfen in „Part of You“ sechs Performer*innen mit vollem Körpereinsatz um Anerkennung, Liebe und Likes.

Die Performer der Grupo Oito und auch die Zuschauer stehen in „Part of You“ unter ständiger Beobachtung. Das Spektakel wird 70 Minuten dauern, und gleich mal vorangestellt: ein Drehstuhl wäre praktisch gewesen.

Bis zum Schluss werden die Tänzer*innen um das Publikum kreisen, das in der Mitte des Raumes auf einer Insel mit Holzstühlen sitzt. Die Holzstühle zeigen in verschiedene Richtungen und erschweren die Kommunikation zu anderen. Viele checken ein letztes Mal ihr Handy auf neue Nachrichten. Das ist einfacher als sich zu unterhalten. Sind wir nicht alle schon Smartphonezombies, die die direkte Kommunikation scheuen?

Smartphones sind ein Teil von uns. Sie helfen uns, den Weg zu finden, Erinnerungen in Form von Fotos oder Videos festzuhalten und sie mit unseren Freunden zu teilen. Könnte man sagen. Aber „Part of You“ setzt von der anderen Seite her an. Kameras, Nacktheit und ohrenbetäubend laute Elektromusik stehen hier für das Ende der Privatsphäre, für die Auslieferung an Facebook, Instagram und ständige Überwachung.
„Mach kein Foto“, schallt es in den Raum. Ein paar Besucher drehen sich um. Wer zückt verbotenerweise sein Smartphone? Zuschauer erforschen mit den Augen den Raum und entdecken an den Wänden sechs stehende Lautsprecherkästen. Dann erscheinen Ricardo de Paula, Laura Alonso, Zé de Paiva, Martina Gabelli, Natalie Riedelsheimer und Miro Wallner auf der Bühne.

Sie applaudieren und gratulieren sich selbst: „Bravo!“ Die Performer*innen trampeln auffordernd mit den Füßen, das Publikum zieht mit, das Klatschen wird immer lauter. In den sozialen Netzwerken wären das viele Likes. Analog fühlt es sich an wie ein befreiendes Fest. Die drei Männer und drei Frauen laufen immer schneller zu harten Elektroklängen (Musik: Olaf Giesbrecht) um die Publikumsinsel herum. Ihr Lauf ist wie ein Sog, der sich auch auf die sozialen Netzwerke übertragen lassen würde: Wollen wir nicht immer mehr? Mehr Freunde, mehr Likes, mehr Liebe?

Auf einer Leinwand wird ein übergroßes Auge angezeigt. Im Spiegel der Iris kann man klar lesen: „What are you looking at?“ Als eine Performerin mit einem Stoffhasen redet, den sie sich zuvor aus einer Box geholt hatte, bin ich mir nicht sicher: Was genau gibt es da zu sehen? Zuvor hörte man ein fremdsprachiges Telefonat. Die belanglose Übersetzung wird an die Wand projiziert. „Sie hat mir beigebracht, einen Schluck Kaffee zu trinken, damit das Brot leichter runtergeht.“ Wer will das wissen?

Darüber hinaus setzt Choreograf Ricardo de Paula auf totale Reizüberflutung. Wer die Performance mit allen Sinnen erfassen will, muss sich ständig umsehen, ob nicht in einer Ecke etwas Spannenderes geschieht. Die Performer*innen kreisen vor einer der weißen Boxen um sich selbst, stellen sich, nur in Tüll gehüllt, darauf, eine Frau in blauem Kleid liest aus einem Manifest vor, wie man sein sollte und wie nicht, es wird über Wände gelaufen. Das sieht gut aus und macht was her. Später dann werden sich die Tänzer in Kästen zurückziehen, die mit Überwachungskameras ausgestattet sind. Nichts wird dem Publikum verborgen bleiben. Und dann werden sie einen Spiegel so halten, dass sie das Publikum sehen. „Du beobachtest mich wie ein Geier, wartest in der Ecke auf mich“ ist an der Leinwand zu lesen.

„Part of You“ erzählt mit harten Beats vom harten Kampf um Anerkennung. Doch die Choreografie verfolgt keinen richtigen Spannungsbogen und die Videokameras wirken als Stilmittel veraltet. Da de Paula zudem noch eine sehr anstrengende Zuschauersituation geschaffen hat, ist „Part of You“ zwar anfangs spannend, zum Schluss aber nur noch ermüdend.

Wieder zu sehen am: 20. Februar 2017, 20:00 Uhr | Ballhaus Naunynstraße