„Pink Souls ODER Draußen bei den Innereien“, Katharina Greimel aka Käthe Kopf © Käthe Kopf

Von Tanzenden Textkörpern.


In der Reihe „NAH DRAN extended: body, text!“ kuratiert Käthe Kopf im ada Studio einen dreiteiligen Abend zu Text und Tanz

Roland Barthes schreibt: „Der Text hat eine menschliche Form, er ist eine Figur, ein Anagramm des Körpers?“*1

Text und Tanz sind miteinander verwoben, wenn wir Texte als etwas in Bewegung verstehen und Tanz als Choreografie – Raum-Zeit-Schrift. Die Choreografin und Autorin Käthe Kopf arbeitet an eben jener Schnittstelle, in ihren „Gehdichten“ verschränken sich Körper, Bewegung und Text. Sprache wird doppelt zerlegt in Zeichen und Bezeichnetes, um ihrer Übereinkunft beherzt aus dem Weg zu gehen. Ihren Texten wohnt eine ganz eigene Metaphorik inne, in der sich Bedeutungsebenen immer durchkreuzen, um dann manchmal mit einem Satz eine ganze Welt aufzumachen. Zum Beispiel: „gehen, das ist außer Stande sein“. (Käthe Kopf: „Pink Souls ODER Draußen bei den Innereien“)

Käthe Kopf hat diese NAH DRAN extended- Ausgabe unter der Überschrift: „body, text!“ kuratiert. ada-Leiterin Gabi Beier übergibt in diesem speziellen Format Künstler*innen das Heft. Dabei ist das ada Studio der perfekte Ort für Unperfektes, Waghalsiges, Unerhörtes. An diesem Abend wird auch deutlich, dass die Verbindung von Text und Tanz, Poesie und Körper kein Leichtes ist. Sobald gesprochen wird, geht es um etwas. Die Kunst ist vielleicht, sich nicht zu sehr beim Wort zu nehmen, aber wie soll das gehen? Der Reihe nach:

1) Als erstes: von den 50er Jahren ins Heute (Marilyn Monroe in Hipster-Pelz und Techno-Perücke), zu „Spielarten von Glanz und Trübe“, wie die Choreografin und Lyrikerin Tabea Xenia Magyar über ihr Solo „Oh Boy (Beautifuldogz)“ schreibt. Dieses wirkt insgesamt wie eine Versuchsanordnung aller möglichen Bilder und Narrative, die um psychologische Krankheitsbilder, um Begehren, Sehnsucht und vielleicht vor allem um Maskerade von Weiblichkeit kreisen. Jedenfalls springt Magyar mit einem fulminanten Auftritt in die Szenerie hinein: eine Frau auf Highheels in schwarzer Spitzenunterwäsche, ihr Gesicht halb verdeckt von einer blonden Fransenperücke, die mich an 90er Jahre Love-Parade erinnert. Sie kreist mit Hüften und Armen lasziv und scheinbar selbstvergessen über die Bühne, bis sie ihre Schuhe in einer triumphalen Geste mit Schwung nach oben abwirft, auf einen Stuhl Platz nimmt und ihren Oberkörper in Kunst-Pelz vergräbt. An ihren Augen klimpern kokett zwei große gebogene Wimpern-Extentions, ihr Mund ist knallrot geschminkt. The Vamp. Soweit, so gut. Der Text, der jetzt eingespielt wird, gelesen von einer Frauenstimme mit betont osteuropäischem(!?) Akzent handelt von Depression, Schizophrenie, beschreibt Zustände von Erschöpfung und Verweigerung. Sprachlich sind darin interessante Bilder vertreten („Treibsand hinter den Augen“), die aber inmitten klischeebesetzter, ausgestellter Sexyness untergehen. Oder anders: wie viel Depri hängt am Glanz?

2) Gerhild Steinbruch hat eine Menge zu sagen. Die Performance ihrer Textkollage „Final Queens“ ist voller politischer Anspielungen, eine poetische Reaktion auf die Abschottung, den Rechtsruck, das Erstarken der konservativen Kreise, die Verschiebung des Sagbaren – in Österreich wie im Rest der Welt. Ihr Text wird eingeläutet durch ein Kinderlied, in dem zwei kleine Wölfe bei Nacht herum spazieren und sich einen Lichtblick (den Tag oder wenigstens Sternenhimmel) wünschen. Die Parteien der neuen Wölfe wünschen sich wieder den Gleichschritt, das harte Durchgreifen, die Grenzen im Innen und Außen. „Das war ja einfach“. Ich hätte mir gewünscht, diesen Text noch einmal (in Ruhe) zu lesen, der wie ein Gewittersturm aus der Autorin herausgebrochen ist. Zu ausschnitthaften Videoaufnahmen, die heile Welten und deren Kehrseiten zeigen – die Kleinfamilie im Vorgarten, der Umzug mit Marschkapelle, das Spielen mit dem Hündchen im Wohnzimmer, der Kneipenabend mit den Parteifreunden und Hitlergruß – schmettert sich dieser Text durch den Raum und hinterlässt ein dumpfes Gefühl im Magen. „So. Und jetzt wird gelächelt.“

3) Käthe Kopf schließt diesen Abend mit einem/ihrem eigenen Solo. „Pink Souls ODER Draußen bei den Innereien“ fragt nach Körper und Seele und taucht diese entlegenen Gebiete in pinkes Licht. Die Textbausteine formen sich zu einem Dialog mit unbekannter*m Partner*in, wobei der Bauch an Käthe Kopfs eigenem Körper ein*e ganz besondere*r Adressat*in ist. Gerade weil sie als schwangere Performerin vom “Innen und Außen” spricht, vom sich nahe Stehen und von den (Un)möglichkeiten, aus der eigenen Haut heraus zu kommen, wohnt dem Ganzen eine Brisanz, eine Doppeldeutigkeit inne. Auch wenn der Text auch sonst funktionieren würde. In weißen Strumpfhosen, schwarzen Glitzer-Schlappen und Unterhemd performt die Autorin ihr Zwiegespräch mit der*dem Anderen: „wie gut, dass es dich gibt, ich bin verliebt und du siehst rot und sagst, dass du zur Not auch rosa siehst. die Seele ist pink. da scheiden sich die Geister.“

Während sie behände Styroporplatten nebeneinander aufreiht, hin und her schaukelt und durchsichtige Behältnisse stapelt, wirkt das alles wie Labor oder Krankenhaus-Routine. (Käthe Kopf ist auch Humanmedizinerin und war zuletzt in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie tätig.) Dieser Eindruck verschränkt sich lapidar-ironisch mit dem Text, in dem immer von abzutragenden Gewebsschichten, von Haut und Schleimhäuten, von Knochen, vom Innen und Außen die Rede ist. Käthe Kopf wagt ein Aufeinandertreffen von Worten, Bedeutungen, Assoziation und Zwiegesprächen, die Beziehungen umgeben und einen doppelten Boden haben, weil sie selbst nicht allein auf der Bühne steht. Und auch ohne Babybauch – wer hält es schon mit sich allein aus?

„ich stecke in meiner
wir stecken alle in haut
wir stecken alle unter einer haut“

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*1 Roland Barthes: Die Lust am Text, Frankfurt am Main, S.25f.