“Ackerism – 3/4/5” am Dock 11 als hermetisch-choreografische Roman-Annäherung.
Ismen werden häufig dazu genutzt, eine Distinktion vorzunehmen im Sinne einer Gruppenzugehörigkeit oder gar Ideologie. „Ackerism – 3/4/5“, der Titel des neuen Stücks der Performer*innen Mathilde Monfreux, Mandoline Whittesley und Lauriane Houbey, scheint, so gesehen, bewusst eine starke Nähe zur Autorin Kathy Acker aufzuweisen Dies ist bei der tänzerischen Auseinandersetzung mit Ackers Roman „Blood and Guts in High School“ von 1984 Potential und Gefahr zugleich. Einerseits kann diese Nähe eine große und leidenschaftliche Kenntnis der Inspirationsquelle bedeuten, andererseits führt sie vielleicht zu einer Spezifizität der Information, die von außen nur schwer zugänglich ist.
Die Performer*innen beginnen also mit dem ersten Teil des Stücks, indem sie, zu dritt im Kreis stehend, jede ein Mikrofon vor sich, ihre Forschungsfrage zum Roman formulieren: „How did ‚Blood and Guts in High School’ change the relationship to your own pelvis?“ Vom Musiker François Rossi, der am Schlagzeug den Rhythmus des Geschehens aufgreift, begleitet, bricht ein Stimmgewitter aus englischen und französischen Wortfetzen los, das sprachlich nur partiell zu erfassen ist, sodass ich mich ganz auf die Musikalität der Sprache, ihren Rhythmus, ihren Klang, ihr An- und Abschwellen, ihre Dynamik konzentriere. Die Sprache wirbelt durch den Raum, bläht sich auf und sinkt wieder in sich zusammen, nicht ohne mir dann doch einige, wie mir scheint, essentielle Begriffe zuzurufen: Es geht also um die Beziehung zum Becken, „heavy and wet“, und um Begehren, „desire“, als etwas, das „in between the layers of the bones“ angesiedelt ist. Dann ist der erste Teil schon zu Ende.
Kathy Ackers Roman schildert die Lebensgeschichte des amerikanischen Mädchens Janey Smith, die mit ihrem Vater in Merido, Mexiko, lebt. Die Beziehung der beiden ist inzestuös, Janey empfindet ihren Vater als „boyfriend, brother, sister, money, amusement, and father“, bis zu dem Zeitpunkt, als er beginnt, sich für eine andere Frau zu interessieren und Janey schließlich durchsetzt, nach New York City gehen zu dürfen. Es beginnt eine Odyssee der Protagonistin, die von ungewollten Schwangerschaften, über Zwangsprostitution hin zu einer Liebesbeziehung mit Jean Genet (!) reicht und von Acker als non-lineare Collage entworfen ist.
Weiß man nun nicht viel mehr über den Roman als dies, ist es nur schwer möglich, einen Anschluss an die Performance zu finden. Denn diese bleibt streckenweise so hermetisch, dass Bezüge nur über Umwege herzustellen sind. Auch Teil zwei und drei bieten den Zuschauer*innen nur wenig Möglichkeit, produktiv in den Plot einzusteigen. Zwar sehen wir in Teil zwei nun mehr körperliche Bewegung, etwa, wenn die drei Performer*innen Fragen anhand von Scores – einem Set von Anweisungen, die in diesem Falle auf eine bestimmte Dauer festgelegt sind – performativ ausagieren. „Is the cunt on the wall blossoming?“, fragt eine der Performerinnen, während sich die andere mit schlaff herabhängenden Gliedmaßen auf eine Art Bierbank sinken lässt. Im Verlauf des Scores wird sie von den anderen beiden herumgewirbelt, von außen bewegt, aggressiv durch die Luft geschleudert und schließlich mit dem Becken, mit der „cunt“ an die Wand gedrückt. Doch diese Szene ist trotz des körperlichen Kommentars auf die Frage nicht schlüssig, weil die Bewegung nicht für sich steht, sondern zu sehr mit der unverständlichen sprachlichen Ebene verwoben ist.
Der dritte Teil schließlich wird von einer eingespielten Stimme dominiert, die schnelles Französisch spricht und von markerschütternden Schreien begleitet wird. Und obwohl die drei Tänzer*innen über die Bühne wirbeln, jede in die eigene Aktion vertieft, versteift sich die Wahrnehmung auf die Schreie, die, zunächst als hysterisches Lachen fehlinterpretiert, immer dringlicher werden, wütend und verzweifelt klingen. Was als emotionaler Moment funktioniert, bleibt auf ästhetischer Ebene allerdings rätselhaft und wird auch am Ende nicht überzeugend aufgelöst.
Für mich lässt sich an diesem Abend kein größerer Bogen schlagen zur Romanvorlage, denn die sprachliche Ebene der Performance, die teils unverständlich ist, gibt der körperlichen Ebene nicht genug Raum, die eigenen Assoziationen zu entfalten. Vielleicht lässt uns das in die Knochen dringende Schreien am Ende teil haben an den Qualen, die die Protagonistin des Romans erlitten haben. Dennoch bleibt die Performance zu nah bei den Performer*innen, um anschlussfähig zu sein.