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Theater über Theater

Michael Laub und Remote Control Productions feiern die Selbstreferenzialität mit ihrer neuen Performance „Fassbinder, Faust and the Animists“ im HAU2.

Was wir sehen, ist „making a movie about making a movie“, raunt einer der Performer*innen mit gelangweilter Stimme und resümiert damit den Fassbinder Film „Warnung vor einer heiligen Nutte“ (1970), der den Dreh- und Angelpunkt der Performance bildet. Es werden Sequenzen des Originals auf einer Leinwand im Hintergrund eingespielt – eine Schlüsselszene etwa, in der sich der Regisseur Jeff exaltiert darüber echauffiert, dass das Team erst mal lernen solle, einen Film zu machen. Dann kommen die 17 Performer*innen von Remote Control im feinsten 70-er-Jahre-Look auf die Bühne und man ahnt, dass sie die leicht verzerrten Ebenbilder der Filmcrew um Fassbinder sind. Sie tanzen unisono eine leichtfüßige Choreografie (eine Variation des Madison Dance), ambitioniert, aber mit stoischen Minen. Dieser Tanz wird sich in wechselnden Formationen während der gesamten, ca. 100-minütigen Performance wiederholen und treibt einen fast in den Wahnsinn: diese ewige Wiederkehr des Gleichen! Womit wir beim zweiten Thema wären: Goethes „Faust“ ist in dem trubeligen, bunten Geschehen, das die Sinne wie schnelle Schnitte im Film auf die Probe stellt, der zweite große Bezugspunkt der Performance. Sowohl Film als auch Faust werden hier auf die Fragen nach Gemeinschaftsbildung und Vereinzelung hin komprimiert; die übersteigerten Szenen umkreisen, bespielen und bearbeiten die Vorlagen – so wird Gretchen, als prominente Vertreterin der Sinnsuche in der säkularisierten Welt, von der Performerin Astrid Endruweit extrem großartig als japanische under-age Pornodarstellerin ad absurdum geführt. Der große Monolog über die Liebe – hier ist er obszönes und sehr unterhaltsames Körperspiel.Michael Laub gilt als einer der Vorreiter des postdramatischen Theaters und so verwundert es nicht, dass der Regisseur in Zusammenarbeit mit der von ihm initiierten Performancegruppe Remote Control Productions im HAU2 eine Film-Theater-Tanz-Collage zeigt, die mit der Thematisierung des eigenen Schaffens fast Fassbindersche Züge annimmt. Der eigene Produktionsprozess wird durch das Nebeneinanderstellen von Original-Filmsequenzen, deren filmische Nachstellung und die Imitation auf der Bühne mehrfach kommentiert – und zwar so, dass die schwierigen und die Gemeinschaft belastenden Bedingungen einer künstlerischen Zusammenarbeit als sozialer Mikrokosmos mit allen Gefühlsvarianzen zwischen Liebe, Hass und Eifersucht entlarvt werden. Bis hin zur totalen Ebenenkonfusion wird hier gestritten, gekämpft und gevögelt. Und apropos Konfusion: Was ist das mit den „Animists“? Es erschließt sich nicht ganz, wie die Beseelung der Dinge ins Spiel kommt. Außer durch eine Videoeinspielung, in der einige der Performer*innen – vielleicht auf den Philippinen – in einem wackeligen Boot sitzen, bei Seegang sichtlich um ihre gute Stimmung kämpfen, um darauf wiederum in gelangweiltem Ton eine Definition vorzutragen, die auch den Satz enthält „The word animism doesn’t really mean anything“. In gewisser Weise ist dies auf der Linie der Performance, geht es doch, postdramatisch gesprochen, um die Abkehr von der Repräsentation. Was bedeutet noch etwas, bei der Fülle an Bildern und Versatzstücken, die wir hier vorgesetzt bekommen?
Am Ende steht wieder der Madison Dance samt der stoischen Gesichter. Und erstaunlicherweise bleibt von der eben erlebten Bilderflut nicht viel an Beeindruckendem, was die Verzweiflung über die Nichtbedeutung auflösen könnte.