„triton tanzt. twisted trident“, Peter Pleyer © Michiel Keuper

Teach, Talk and Dance

Peter Pleyer hat mit „triton tanzt. twisted trident.“ sein bewährtes (Unterrichts-)Format auf die Bühne des DOCK 11 gesetzt und schafft einen wunderbaren Abend der lebendigen Archive, Erinnerungen an große Künstler*innen und Lust auf ein Stöbern in Tanzgeschichte(n), alten Magazinen und einen Austausch mit Zeitzeugen.

Angeregt durch Bruno Latour ist auch Peter Pleyer um unsere Erdung und unsere Füße besorgt. Daher geben wir bei Betreten des Bühnenraums zuerst unsere Schuhe ab. Auf das zielsichere Ansteuern der Zuschauertribüne einiger Zuschauer*innen folgt die Einladung dort nur unsere Jacken und Taschen abzulegen und dann auf der eigentlichen Bühne zusammen zu kommen. Der sonst fast nie sichtbare Holzboden des DOCK 11 wurde des Tanzteppichs entledigt – so wie wir unserer Schuhe. Da liegt es nahe, dass wir damit beginnen unsere Füße zu spüren, indem wir jeweils einen Fuß auf schmalen weißen Holzleisten platzieren, um die kleinteilige Knochenstruktur des Fußes wahrzunehmen. In einer Mini-Anatomie-Einführung erklärt Pleyer anhand eines Fuß-Skelettes wie lang die Knochen der Fußzehen tatsächlich sind – dem kann man besonders gut nachspüren, wenn man den Fuß auf so einer Holzleiste das Gewicht verlagern lässt.

Heute Abend lernen wir nicht nur etwas zur Geschichte der Release-Technik und welche Persönlichkeiten Pleyer während seiner Ausbildung am European Dance Development Centre in Arnheim kennen gelernt hat. Das Publikum lernt sich auch untereinander durch ein Spiel polarisierender Ja-Nein-Fragen kennen, bei dem wir uns in jeweils einer Ecke der Diagonalen sammeln, um die Zuordnung der Antwort auf die gestellten Fragen deutlich zu machen. Nach wenigen Minuten wissen wir annäherungsweise etwas über Herkunft, Gehalt, Gender und sexuelle Orientierung, den (verpassten) Besuch einer Ausstellung in den Kunstwerken Berlin oder wer Diane Torr kennen gelernt hat.

Der Geist von Diane Torr ist der eigentliche Protagonist des Abends. Pleyer widmet der Drag-King-Performance-Künstler*in, die sich mit Crossdressing beschäftigte, das zweite Tanz-Solo des Abends. Er stöckelt in weißen High-Heel-Stiefeln, einem seidig fließenden Tücher-Kleid, Spitzenunterhose und Häkel-Masken-Perücke über die Bühne und schubst eine kurz über dem Boden schwingende, von zwei Seiten angestrahlte Diskokugel immer wieder an. Das psychedelische Lichtmuster der Diskokugel rast über Wände und Boden durch die Dunkelheit zu den treibenden Beats von „Useless Man“ von Minty.

Der Abend changiert zwischen Unterrichts-, Performance- und Probensituation. Selbst wenn Pleyer der Technik sagt, dass das zwar gerade der vereinbarte Cue sei, er aber noch nicht bereit ist, bekommt das Stück nie den Eindruck eines Unfertigen oder einer bewusst artsy inszenierten Fake-Probe. Vielmehr hat es einen offenen Charakter des Teilens von Wissen und Erfahrungen. Wenn der ehemalige künstlerische Leiter der Tanztage Berlin auf dem Bühnenholzboden sitzend durch Magazine blättert und erzählt, dass er gern ein Solo aus Fashion-Magazinen generierten Scores choreographieren wollte, oder wie er mit Yoshiko Chuma und Deborah Hay gearbeitet hat und welche Rolle Forsythe-Tänzer*innen in Frankfurt für ihn hatten, wünsche ich mir einfach, noch lange diesen Geschichten zu lauschen.

So endet die Performance auch nach scheinbar vorher unbestimmter Zeit, nachdem Zuschauer*innen dazu eingeladen wurden dem splitterfasernackten Peter Pleyer mit bunten Wasserfarben Meridianlinien nach vorbereiteten Vorlagen auf den Körper zu malen. Man könnte meinen, währenddessen einen Small Dance von Steve Paxton zu beobachten, auch wenn sich die lebendige Leinwand nur langsam dreht, um die Körperteile der Bemalung anzubieten. Ein letztes Solo zu „Breathin“ von Ariana Grande, mit Rastazopf-Extensions, Basketballoutfit und erkennbarer Bewegungsbeeinflussung durch Steve Paxtons Material for the spine, verabschiedet uns in den Abend – und die Lust weiter in der Tanzgeschichte und in Magazinen zu stöbern.