„Giardino dipinto“, T.P.O. Company © Davide Venturini

Tanzstunde im Garten

Immersion bei Purple, dem neuen Tanzfestival für junges Publikum

Wenn das Licht gedimmt wird und der Sound einsetzt, wird gekichert. Kinder haben so ihre Kichergeheimnisse. Vielleicht ist es das angespannte Abwarten, das sich entlädt. Drei Grundschulklassen sind für eine Tanzaufführung in den Uferstudios angemeldet, zwei sind pünktlich, die dritte nicht. Aber das Warten verläuft aufgeräumt. Der zweite Kicheranfall, schon gegen Ende des Stücks, ist nachvollziehbarer. Da mimen die Tänzerinnen Valentina Sechi und Carolina Amoretti eine Siesta und die eine macht es sich auf der anderen bequem, worauf jene mit ein bisschen unwirschen Bewegungen reagiert, als wolle sie einen Albtraum abschütteln.

„Giardino dipinto“ (Gemalter Garten) ist ein immersives Stück für Kinder ab sechs, produziert von der toskanischen T.P.O. Company und eingeladen zum neuen Berliner Tanzfestival für junges Publikum Purple. Die Präsentation professioneller Choreografien für Schüler*innen hat in letzter Zeit an Land gewonnen. Nicht nur Purple, entworfen und geleitet von der Choreografin Canan Erek, erhält Senatsförderung sondern auch die Tanzspielzeit, die im letzten Jahr bereits mit einem Programm für den Nachwuchs an den Start gehen konnte und Purple als Partner zur Seite steht. Im Gegensatz zum missionarischen Eifer der Tanzspielzeit, die in ihrer ersten Aufführungsserie gleich mal programmatisch Werbung für den Tänzer*innen-Beruf machte und teils ziemlich didaktische Stücke im Programm hatte, scheint es dem neuen Festival aber in erster Linie um gute Stücke zu gehen. Schade nur, dass man das dem Web-Auftritt (noch) nicht ansieht.

Die T.P.O. Company zumindest hat es drauf, die Gestaltungsmöglichkeiten des Computers so mit dem tänzerischen Geschehen zu verquicken, dass einem Zweitklässler in schickem Dino-Hosenanzug ein „Das ist jetzt sehr cool“ entfährt. Räumlich tiefenscharfe Lichtfelder in leuchtendem Blau, fast fluoreszierend, wandern da über die sich rollenden Tänzerinnen. Die Zeichnungen von „Giardino dipinto“ stammen vom Maler Rebwar Saeed, der den (Fantasie-)Garten seiner Kindheit in der Region Kurdistan mithilfe von Elsa Mercis Computeranimation und -Projektion auf einen Tanzteppich bannt. Seine Mutter habe früher Blumen als Vorlage für Teppiche gemalt, sagt eine Off-Voice-Erzählerstimme, das habe im Kind den Wunsch wachgerufen, Geschichten ohne Worte zu erzählen, die Farben sprechen zu lassen.

Vier Gärten hat Saeed gemalt: einen der Erde, einen des Wassers, einen der Blätter und der Liebe – gelb, blau, grün und rot sind die jeweils dazugehörigen Grundfarben. Jeder Garten beginnt mit einem Teppich, der das Tanzprospekt auf der Bühne in Arena-Anordnung ganz ausfüllt und unter dem dann animierte Natur-Illustrationen zum Vorschein kommen – Blumen, Blätter, Fische. Nach und nach werden Kinder (leider immer nur aus der ersten Reihe!) von den Tänzerinnen durch eine gut angebrachte Geste in die Bewegungen, die von den Bildern ausgehen, mit einbezogen. So gibt es einen Farbtupfer-Tanz, einen Farbrutscher-Tanz, einen „Tanz der Sonne, die träumt“, eine Art Kaffee-Bohnenspringen und Zellkernkrabbeln. Besonders gut funktioniert dabei ein Trick, der auch ohne Computer auskommt: der alte Theatertrick mit dem über die Bühne gespannten Tuch, das Wellen wirft, umso mehr, wenn die Kinder von unten durch Sprünge die über sie wogende Fläche modellieren.

Aber auch dadurch, dass bestimmte Formen verschwinden, wenn darauf getreten wird, verstärkt sich der immersive Charakter des Spiels, der technisch weniger auch Sensorik oder Motion-Capture-Tools zu beruhen scheint als auf Livesteuerung am Computerdesk. Nicht immer klappt es dort mit der Impulsaufnahme. In der anderen Richtung lassen sich die Kinder bereitwillig von den Bewegungsmustern zum vorsichtigen Gehen, Springen, Krabbeln und Drehen anstoßen. Am schönsten funktioniert das mit kleinen fliegenden Teppichen, die rhythmisch hin und her geweht werden und dem ein oder anderen Kind einen Tanzschritt entlocken.

Die poetische, ruhige Bildsprache, begleitet von elektronisch verarbeiteten Naturgeräuschen und entfaltet in einer gleichbleibenden Dramaturgie, macht mit der Zeit jedoch auch etwas müde: „Ich will jetzt einschlafen“, kündigt ein Mädchen an und lässt den Kopf in den Schoß ihrer Lehrerin sinken. Ähnlich geht es mir – aber es ist ein stimmungsvolles Dösen, das sich einstellt und mich die letzte Szene mit dem magisch plätschernden Brunnen in der Mitte des Gartens wie ein Traumbild erleben lässt. Trotzdem könnte, auch bei Beibehaltung der zyklischen, ruhigen Dramaturgie, das Niveau der immersiv animierten Bewegungen genauso wie das der Choreografie noch einen Tick angehoben werden. Alles, was bei den Tänzerinnen über bloßes Rollen und Drehen hinausgeht, quittiert das junge Publikum mit Aufmerksamkeit.