“Pepe Dayaw: a portrait performance”, Pepe Dayaw ©Zé de Paiva

Schwebend über den Philippinen

Die PORTRÄT-Reihe im Ballhaus Naunynstraße präsentiert mit „Pepe Dayaw: Eine Porträtperformance“ ein herausragendes künstlerisches Talent und die forschende Performance als Medium der Auseinandersetzung mit den performativen Paraphernalia unserer Zeit.

Ach, die schillernden Gestalten Berlins. Nur hier, in Kreuzberg, Neukölln und anderen Bezirken, bevölkern diese zauberhaften, facettenreichen Kreaturen die Straßen und weben aus dem wahren Leben und ihrer Liebe zum Performativen einen reizvollen Kulturmix. Pepe Dayaw ist ein solches Geschöpf: Entstanden in vielen Jahren dualer Praxis aus Kochen und Tanz, und selbst eine Figur, die „überall aufwuchs und jetzt in Berlin lebt“, ist Dayaw als work in progress ein Gefüge, an das der Performancekünstler gleichen Namens seine diversen Masken hängt. Modedesign und Massage zählen dazu.

„Pepe Dayaw: Eine Porträtperformance“ präsentiert Performancestoffe und Geschichten aus (und im Zusammenhang mit) dem Leben und der Recherche des Künstlers selbst. Die Show beginnt mit Videoaufnahmen der Miss Universum Wahl 1974, die erste in Manila, einer der Herkunftsstädte Pepe Dayaws. Dayaw erscheint in verschiedenen Kostümen, gleichsam als schlüpfrige Kopie, auf einem laufstegähnlichen Gerüst. Eine zarte Pose leitet in das „sanfte Angebot“ der Schau ein, ein Bild, das über die Bühne zu gleiten scheint und sich jeder offensichtlichen Kategorisierung entzieht. Dayaw posiert und blickt dabei ins Publikum, in einem obskuren Mix aus Neugier und Bedrohung. Als wolle er eine stumme Frage stellen, die seine schwankende, darstellende Bewegung begleitet.

Im Video sehen wir philippinische Werbung für Kochprodukte aus verschiedenen Jahrzehnten. Dayaw kehrt auf die Bühne zurück und erzählt von seiner anderen Passion – dem Kochen – und davon, wie er in der Küche seiner Großmutter saß: „Sagen wir nicht: ‚Du bist, was du isst?‘“ Dayaw erläutert den Hintergrund zweier Rezepte, darunter das witzige SPAMSiLog – eine Mischung aus Sparschinken, gebratenem Reis und Ei, dessen Ursprung zurückgeht auf die Kolonialzeit, als das Land zuerst von Spanien und dann von den USA besetzt war. (Mit Blick auf den „Spam“ fragt Dayaw: „Wie kam dieses Produkt hierher, und vor allem: Wie kommt es, dass es zollfrei ist?“) Es folgt eine Runde von Dayaw-Specials – Karaoke, mit Morris Alberts „Feelings“ gefolgt von Diana Ross und Lionel Richies „Endless Love“. Dayaw singt beide Stimmen.

Die Kritik an der kolonialen Besatzung zieht sich durch die verschiedenen Performancefacetten des Stücks. Multiple Referenzen verorten es im philippinischen Kontext. So beispielsweise die rote, weiße und goldene Kleidung, die die Farben der Nationalflagge evoziert. Texte wie „Früher gab es genug zum Teilen“ oder „Was geschah in der Vergangenheit?“ verweisen auf die noch heute spürbaren Folgen der Kolonialisierung und spiegeln das Abstruse mancher Kulturparaphernalia. Im Zentrum des Ganzen steht Dayaw persönlich, ein Wesen, das sich jeglicher Kategorisierung entzieht, mit Objekten spielt und Fragen stellt, während es eine eigene Identität entwickelt.

Am Ende, während im ansonsten unaufdringlichen Sounddesign (meLê yamomo) ein Chor aus Umgebungsklängen ertönt, und Dayaw in einem mehrlagigen Kostüm und goldenen Stiefeln herumwirbelt, fügen sich die Argumente der Show in eine komplexe und beeindruckende Synthese. Dayaw schwebt quasi im Raum. Er wird zum Echo der elusiven Qualität des Stücks selbst und konstruiert zugleich den charakteristischen, spezifisch suggestiven Rahmen, der diese einzigartige, neue Bühnenproduktion markiert.

Übersetzung aus dem Englischen: Lilian Astrid Geese


“Pepe Dayaw: Eine Porträtperformance” von Pepe Dayaw (Mitarbeit Regie: Chiara Rossini, Dramaturgie: Jasco Viefhues) ist vom 27.-30. Oktober 2022 im Ballhaus Naunynstraße zu sehen. Tickets unter ballhausnaunynstrasse.de.