„Highness“, Melanie Jame Wolf © Sam Smith

Queen Bee

Melanie Jame Wolf lässt in „Highness“ in den Sophienesaelen die Queens über Rollenzuweisungen (hinab) stürzen.

Zwischen den Scherben deiner Liebe, zwischen den Scherben deiner Jungfräulichkeit, zwischen den Scherben der Idole liegt sie, die Queen, erschöpft und triumphierend über den (eigenen) Fall, den Einsturz der Fassade aller König*innenlichkeit.

Melanie Jame Wolf kann man als Ikone der queeren Community bezeichnen – in ihren Performances verhandelt sie unter anderem ihre acht jährige Karriere als Stripperin in einem australischen Edel-Club, sie entlarvt Rollen- und Machtzuschreibungen und hat Female Drag, die feierliche Aneignung und positive Übertreibung des ‚Weiblichen‘ perfektioniert: mein Hintern, meine Kurven, mein Gesicht, meine Lippen, meine Vagina – in your face. Eine, die sich mit Überhöhung auskennt und die weiß, dass der Sturz Teil der Verabredung ist. Ist es also konsequent, wenn in „Highness“ – dem zweiten Teil ihrer Trilogie zur Frau als Hure – die Fallhöhe zum ganzen Motiv wird? Hat frau ernsthaft gedacht, es gäbe noch echte König*innen-Vorbilder? Zweistufige Showtreppe, White Cube, PIMP-, bzw. Zuhälter*innen-Moves: Vokabular des neuen Empowernments? Oder im Gegenteil: stellt sich die Herrschaftlichkeit als Trugbild heraus? Müssen all die Queens am Ende fremdbestimmt bleiben, nur dazu da, den Fetischen, Wünschen und Sehnsüchten eines fernen, distanzierten Außens gerecht zu werden? Bis zu Letzt bleibt es seltsam unentschieden, ob die futuristische Queen im floralen, hautengen Ganzkörperanzug mit den extremen, kantigen Schultern, auf übertriebenen High-Heels, ohne Gesicht – ob diese Power Ranger-Queen nun das Phantom der Rächerin oder der Geplagten ist.

Wolf, die von zwei lustig-beflissenen Untertanen (Louise Truheart und Jos McKain) gestützt und in Szene gesetzt wird, überzeugt im Spiel der Überzeichnung, des Posierens und Beherrschens so gekonnt wie frau es von Ihrer Herrlichkeit verlangen kann. „Adel verpflichtet“, schreitet sie durch den Raum, würdigt das Publikum mit unterkühlt-herrschaftlichen Blicken, und während sich an diesem Text noch eine Diskussion um das Wort „herrschaftlich“ aufzudrängen droht, bleibt aus der Performance vor allem das Bild der Queen als Projektionsfläche zurück.

SIE wird zu ihrem eigenen Tableau, zur stummen Schablone, wenn sie, mit allerlei Ketten behangen, mit überdimensionierter Schaumstoff-Krone und in weißen kniehohen, wackligen Stiefeln als in den Posen fast erstarrt, ferngesteuerte Erhabenheit versprüht und zwischen herr*ischen Kommandos an ihre Gefolgschaft und seltsam inhaltsleeren Ansprachen mit distanziert-entrückter Miene immer weitere Abziehbilder ihrer selbst produziert.

„History is a set on lies agreed upon“

Immer wieder durchziehen aber auch nachdenklich stimmende Reden oder Gesten die eindeutigen Posen von Machtdemonstration und Untertanentum: So monologisiert die Queen selbst über ihren Aufstieg und Fall, weiß um ihre Überhöhung und die politischen Machenschaften und Interessen, zu deren Spielball sie wird. Insofern ist das Stellvertreter*in-Dasein als König*in nicht unbedingt eines, das erstrebenswert ist. Auf der Videoprojektion als übergroßer Spiegel erscheint die Multiplikation ihres eigenen Bildes, als Vergewisserung ihrer selbst, als Vergrößerung des eigenen/fremden Blicks – dann taucht wieder die gesichtslose Ranger-Queen auf der Leinwand auf. Ein Bienenscharm surrt bedrohlich unter der Krone und bedeckt den Rest ihres Körpers. Die Herrscher*in wird zur Beherrschten. Überhöhung schafft Distanz und Übergriff gleichermaßen. Die Queen muss Fragment bleiben – oder stürzen. Ich denke an Britney Spears („you want a piece of me“), Lady Di, Amy Whinehouse. Immer die Träume der Anderen. History repeats herself.

Wenn sie am Ende zwischen Verzweiflung und Angriff ins Mikrophon schluchzt, während sie von ihren zwei Gehilf*innen mit Schlamm bespritzt wird „This is noooo oooordinaaary looooove“ ist sie wieder da: Die unglückliche, überhöhte, nicht einzulösende, romantische Liebe.

„Highness“ ist eine schillernde aber nachdenklich stimmende Performance mit Female Drag, die keine König*innen-Vorbilder schafft, sondern die (allzu) alte Geschichten wiederholt.
Don’t want to be anybody‘s Queen.