„PRACTICE“, bücking&kröger ©Mayra Wallraff

Practice makes perfect?

Das Choreograf*innen-Duo bücking&kröger beschäftigt sich in “PRACTICE” mit dem, was sonst hinter der Bühne bleibt: Üben, Wiederholen, Trainieren. Die Tanzperformance prämierte am 15. Dezember 2022 im DOCK 11, wo sie noch bis zum 18. Dezember zu sehen ist.

Der Theatersaal des DOCK 11 ist mit blauem Tanzteppich ausgelegt (Bühnenbild: Daniel Pakendorf). Raisa Kröger und Florian Bücking liegen in der Mitte des Raumes auf dem Rücken. Ihre Köpfe ruhen dicht nebeneinander, die Beine sind ausgestreckt, ihre Körper wirken entspannt. Sie tragen lange schwarze Hosen mit roten Streifen an den Seitennähten. Die schwarzen T-Shirts und Socken haben ebenfalls rote Akzente. Die Kostüme (Kostümbild: Malena Modéer; Kostümanfertigung: Rebekka Grimm) lassen mich schmunzeln, da sie mich an die inoffizielle Trainingsuniform zeitgenössischer Tänzer*innen erinnern. Sehr passend für diese choreografische Arbeit über das Üben. 

bücking&kröger beginnen mit einfachen Bewegungen. Wieder und wieder und stets synchron heben und senken sich ihre Unterarme. Bei jeder Wiederholung ändert sich das Ausmaß der Bewegung minimal. Die Wechsel von einer Geste zur Nächsten bleiben unentdeckt. Nur plötzlich erkenne ich, dass sich die gesamte Bühnensituation nebenbei geändert hat. Die Bewegungen sind nicht mehr einfach. Jeglicher Abstand, der zuvor zwischen den zwei Körpern bestand, wurde von Nähe abgelöst. Begleitet von Geräuschen, die nach Meeresrauschen oder Blättern im Wind klingen (Sound: Julius Born), schaukelt sich das Duo sanft hin und her. Das gegenseitige Spüren und Berühren erzeugt den Eindruck einer behutsamen Vorbereitung, eines zarten Aufwärmens für den darauffolgenden Tanz. 

Begleitet von langen Schritten durch den Raum zeichnen die beiden Performer*innen Kreise und Bögen in die Luft. Aus dem Spiel zwischen Synchronität und Asynchronität entsteht eine standardtanzähnliche Improvisation zu zweit. In diesem Augenblick finde ich die Essenz des Übens in Kollaboration wieder. Ich spüre den ständigen Wechsel zwischen Führen und Folgen und das Einlassen auf die Ideen des*der Anderen, die ohne Worte kommuniziert werden.

Unerwartet bricht der Moment des Paartanzes. bücking&kröger wiederholen beharrlich tiefe Ausfallschritte. Die Hände am Kopf mit den Ellenbogen zu den Seiten gestreckt, wirkt das Krafttraining zunächst wie der Blick durch ein Fitnessstudiofenster. Je länger die Übung jedoch wiederholt wird, desto mehr wird auch daraus ein Tanz. Dieser Moment erinnert mich an meine Erfahrungen mit dem Üben im Studio. Durchgeführte Improvisationen werden aus unbestimmten Gründen zu monoton und das Gefühl kommt auf, dass die Kreativität den Raum verlassen hat. Repetitive Kraftübungen sind dann oft die Rettung, nicht vollständig in Selbstzweifel zu verfallen. Doch aus allem wird ein Tanzschritt, jede noch so zufällige Bewegung wird zum Futter der Kreativität. Der Atem wird zur Musik. Die Schweißpfütze wird zum Bühnenbild. Die Erschöpfung wird zum Ziel. 

Der Duden definiert Übung als eine “durch häufiges Wiederholen einer bestimmten Handlung erworbene Fertigkeit”. Ist das Üben jemals abgeschlossen? In “PRACTICE” begeben sich Raisa Kröger und Florian Bücking auf die Suche nach der vermeintlichen Perfektion, dieser Fertigkeit, die das Üben herbeiführen soll. In meinen Augen finden sie auf dem Weg die Kostbarkeit des Scheiterns, die die Kreativität beflügeln kann.


„PRACTICE“ von bücking&kröger (Premiere: 15.12.2022) läuft noch am 17. & 18. Dezember 2022 um 19:00 Uhr im DOCK 11, Tickets unter dock11-berlin.de.

Konzept, Choreografie, Tanz: Florian Bücking, Raisa Kröger – Dramaturgie: Johanna Withelm – Sound: Julius Born – Kostüm: Malena Modéer, Kostümanfertigung: Rebekka Grimm – Licht: Martin Pilz – Bühnenbild: Daniel Pakendorf.