„This is how I feel today“, Anjal Chande © Gerhard F. Ludwig

Lasst uns persönlich werden

Anjal Chande / The Soham Dance Projekt präsentieren „This is how I feel today“, ein Werk das im indischen Tanz Bharatanatyam wurzelt und die individuelle Erfahrung im gesellschaftlichen Kontext untersucht.

Als Anjal Chande leuchtend gelb gekleidet den Raum betritt, bildet sie einen auffallenden Kontrast zu den griechisch anmutenden Säulen in der Kantine der Sophiensäle. Sie ragen über ihr auf, verblicken, rissig, die Farbe abblätternd. Für ein Stück, in dem es um Postkolonialismus geht, ist das ein starkes Bild.

Chande beginnt zu singen, in knapper Distanz zum Publikum bewegt sie sich mit twistähnliche Drehbewegungen der Füße entlang der ersten Reihe über den Boden. Sie ringt die verschlungenen Hände vor dem Gesicht. Als sie uns direkt anschaut, ist ihre Präsenz überwältigend. Sowohl ihre Stimme als auch ihre Bewegungen nehmen langsam eine Art Trommelrhythmus an, Chande tanzt stürmisch, stampft mit den Füßen auf, trifft dabei bestimmte Positionen mit erstaunlicher Präzision. Diese Bewegungsflut aber ist, wie alles andere in diesem Werk, flüchtig. Chande beginnt zu singen, in knapper Distanz zum Publikum bewegt sie sich durch twistähnliche Drehbewegungen entlang der ersten Reihe über den Boden. Chande beginnt zu singen, schlurft dabei entlang der ersten Reihe über den Boden, ringt die verschlungenen Hände vor dem Gesicht. Als sie uns direkt anschaut, ist ihre Präsenz überwältigend. Sowohl ihre Stimme als auch ihre Bewegungen nehmen langsam eine Art Trommelrhythmus an, Chande tanzt stürmisch, stampft mit den Füßen auf, trifft dabei bestimmte Positionen mit erstaunlicher Präzision. Diese Bewegungsflut aber ist, wie alles andere in diesem Werk, flüchtig.

In einer Ecke liegt ein Stapel eckiger geometrischer Formen, fluoreszierende orangefarbene Scherben aus Acryl und Pappe. Im Laufe des Stückes schiebt Chande einige von ihnen zusammen, so dass eine Sonnenbrille entsteht, übergroße Schmuckstücke oder ein Tisch. Der Rest wird wie Trittsteine auf dem Boden ausgelegt, so dass der Eindruck eines Lebens entsteht, das hier chronologisch vor uns auf dem Boden liegt. Genau wie die Tanz-Teile sind diese Zwischenspiele kurz. Das eigentliche Werk, so scheint es, ist der Text.

Chande sitzt da und gibt im Plauderton autobiographische Schnipsel aus ihrem Leben zum Besten, intime Geständnisse. Mit bewundernswerter Ehrlichkeit spricht sie über Rasse, wirtschaftliche Ungleichheit und Gentrifizierung. Sie scheut auch nicht davor zurück, die Anspannung angesichts ihrer eigenen Untätigkeit und Privilegiertheit zu offenbaren. Es gibt hier einen Unterton der Unentschlossenheit und des Nichtwissens, sowohl in politischer als auch im persönlicher Hinsicht. Ist das eine Reaktion auf die in wachsendem Maße dogmatische Erörterung dieser Themen? Oder ist „This is how I feel today“ in seinem Wunsch danach, die persönliche Erfahrung in den Mittelpunkt zu stellen, vielleicht der Versuch, unser aller undefinierbare und schwankende Natur zu reflektieren?

Während Chande so schnell durch gewichtige und schwierige Themen flattert, hält sie nur selten inne, um tiefer einzutauchen. Als ich dem Strudel der Worte folge, finde ich einige Perlen, aber ich frage mich, wie viele ich verpasst habe. Der improvisierte Augenblick ist, wenn er erscheit, so ausdrucksstark, dass ich den Eindruck habe, mir würde Einblick in Chandes Welt gewährt. Paradoxerweise lässt mich der Text in seinen deutlich weniger abstrakten Beschreibungen von Erfahrungen viel unsicherer zurück. Er ist so persönlich, so vollkommen bar jeder künstlerischen Überhöhung, dass ich Schwierigkeiten habe, Raum für Interpretation zu finden. Ist ein Werk derart autobiographisch, dann frage ich mich, ob es uns überhaupt irgendwo Einlass gewährt? Chande sagt, dass sie in Berlin ständig als exotisch betrachtet wird und ich frage mich, ob die Betonung ihrer persönlichen Geschichte eine Reaktion darauf ist – eine absichtliche Weigerung als Leinwand für die Projektionen der Zuschauer zu fungieren.

Chande beendet das Stück, indem sie unser Wertesystem in Bezug auf Kunst in Frage stellt – sie sagt, dass sie „nicht möchte, dass dieser Tanz etwas Besonderes ist“. Damit spricht sie interessante Fragen an: Müssen Künstler*innen als besondere Menschen wahrgenommen werden? Muss Kunst angeberisch und gewagt daher kommen? Nicht notwendigerweise.

Deutsche Übersetzung von Bettina Homann