„ONON“, Clément Layes © Fanni Udvarnoki

Kurzweilige Langzeitstudie

Clément Layes testet Rhythmen – im ersten Teil seines voraussichtlich 2019 premierenreifen Siebenteilers „ONON“

Nonchalanten Slapstick als Bühnenstilmittel beherrscht Clément Layes souverän. In „Title“ brachte er 2015 die Dinge zum Tanzen, machte Stühlen Beine, lehrte Tische in Hand-Seilzug-Arbeit das Schweben, kurvte mit dem Fahrrad durchs Theater oder sprühte den Zuschauenden Wasser ins Gesicht, ernsthaft-methodisch wie ein Priester der Kunst. Klingt banal, war aber heiter bis lustig und in seiner objektgebundenen Schwerelosigkeit auch poetisch. Leichtgängige Mensch-Ding-Komik zeigte Layes jetzt auch in seiner ersten Studie zu „ONON“ – einer Langzeit-Produktion, die in Gänze erst Anfang 2019 Premiere haben soll. Erarbeitet wird sie sukzessive, in je zwei Wochen lang geprobten „7 not so easy pieces“.

Das erste der Nicht-so-einfachen-Stücke war im Rahmen des Insider-Formats „3AM“ im Künstlerareal am Flutgraben zu sehen, öffentlich angekündigt im März-Programm der Sophiensaele. Clément Layes beherrscht offenbar auch die Kunst der Vermarktung. Aber diese Unterstellung wäre mindestens verkürzend, denn die Portionierung ist auch einem inhaltlichen Interesse geschuldet: Rhythmus ist Layes’ Thema in dieser seriellen Arbeit. „Was ändert sich in der künstlerischen Arbeitsweise über die Zeit hinweg? Wie wirkt sich der zerdehnte Rhythmus der Produktionsweise auf die finale Performance aus? Was können Zuschauer beobachten, die den Prozess über eine solche Zeitspanne begleiten?“, benennt Layes’ Produktionsabteilung die mit „ONON“ verbundenen Langzeit-Fragen.

Mit Binnenrhythmen experimentiert Layes bereits in „ONON 1“ (wie die bei „3AM“ gezeigte Vorstudie hier der Einfachheit halber genannt sei): mit Wiederholung und Variation von Aktionen, mit sprachlicher Permutation und Timing. Der Bühnenaufbau ist dabei denkbar einfach und doch vertrackt – und damit auch ein Merkmal der Kurzperformance in ihrer Gesamtheit. Über einem etwa zwei Meter breiten Scherenpodest hängt eine gleich breite, helle Leinwand. Per Knopfdruck wird dieses Panel, an einem Elektromotor aufgehängt, vor Showbeginn in eine langsame Drehbewegung versetzt. Meditativ wirkt das stetige Kreisen, aber auch unbarmherzig in seiner Regelmäßigkeit.

Mit dieser simplen „Drehtür“ aus Panel, Motor und Podest interagieren die drei Performer*innen, Asaf Aharonson, Cécile Bally und Nir Vidan. Und zwar so, wie man das aus Buster-Keaton- oder Charlie-Chaplin-Filmen kennt: Auch wenn sie die Leinwand zu ignorieren scheinen, ist jede ihrer Aktionen von der Drehbewegung bestimmt. Ihr Anliegen ist es, auf dem Podest sitzen oder stehen zu bleiben, aber das Panel zwingt sie zum Ausweichen. Mal hüpfen sie vom etwa einen Meter hohen Podest, dann wieder legen sie sich hin, den unteren Rand des Panels knapp über der Nase. Je nach Platzierung auf dem Podest und je nach Ausgangs-Körperhaltung bewältigen sie die Aufgabe elegant-entspannt oder hastig-ungelenk.

Drei Hilfsmittel gibt ihnen Layes zur Task-Erfüllung zudem an die Hand: einen Hocker, eine Tritt- und eine Stehleiter. So erhöhen sich, durch lässiges Beiseitetreten oder hektisches Leiteraufstellen, noch einmal die kombinatorischen Möglichkeiten, dem Panel zu entgehen. Insbesondere Cécile Bally versteht sich auf perfektes Timing und setzt mit einer Ausweichbewegung immer erst eine Millisekunde nach dem Moment ein, in dem man innerlich „huch“ denkt, wobei es ihr gelingt, körperlich unterspannt zu wirken und stets in Blickkontakt mit dem Publikum zu bleiben.

Unterhaltsam ist das Hin und Her der Drei, als Performance-Prinzip würde es sich aber auch rasch erschöpfen. Also fügt Layes seiner Versuchsanordnung noch ein weiteres Element hinzu: Text. Nur ein Satz ist es, den die Performer*innen nach und nach fast mühsam aus einzelnen Worten und Satzteilen zusammensetzen, und so weit ich es mitbekomme, wird er nur wenige Male in seiner Gänze ausgesprochen. „Is“, „Is there“, „anything or something“ – eine durch die Panel-Bewegung strukturierte sprachliche Permutation immer anderer Satzglieder ergibt schließlich eine verschachtelte Frage: „Is there anything or something on earth or in the universe that has a meaning and can change anything or something on earth or in the universe?“ Huch! Scherz, Slapstick, Ironie – und tiefere Bedeutung! Mensch neigt ja mitunter zum Überinterpretieren: Nicht zuletzt ist diese philosophisch angehauchte Äußerung eine Falle für die Zuschauenden, die in Layes’ Zwanzigminüter eine Bedeutsamkeit über den gekonnten Slapstick hinaus sehen möchten.