„If you ask me what I want, I tell you I want everything“, Liz Rosenfeld © Alexa Vachon

Körper im (Klima)-Wandel

Liz Rosenfeld stellt sich in ihrer Performance zwischen Politik und Natur – mitten ins Visier. Ein Plädoyer für Nachhaltigkeit, für queere Rettungsstrategien und ein Mantra: ‚if you ask me what I want I tell you I want everything‘.

Körper sind Orte der Mitteilung – Liz Rosenfeld teilt ihren Körper mit: Am Anfang jeder Vorstellung von „If you ask me what I want, I tell you I want everything“ steht ein neues Tattoo. Rosenfeld liegt seitlich auf einer Liege, die Tätowiererin Fercha Pombo bearbeitet die Außenseite ihres Oberschenkels mit der Maschine, sie sprechen über das Wetter. Wie Jahreszeiten, Naturschauspiele, Wetterumschwünge mit Erinnerungen verknüpft seien, dass Gefühle und Stimmung am Klima hingen. Berlin im Winter oder im Frühling – zwei Welten. Das Wetter ist größer als wir. Es ist nicht vorauszusagen.

Als wir die Bühne des Hochzeitssaals betreten, hat sich der Boden schon in weißem Nebel aufgelöst. Liz Rosenfeld und ihre Komplizin füllen Säcke mit Trockeneis, eifrig aber routiniert hüllen sie die Bühne in Nebelschwaden. Rauschen und leichtes Plätschern treten akustisch hinzu und öffnen den Raum nach oben hin auf. Immer wieder gesellen sich Maschinen, Objekte, Sound (Ziúr) und Licht (Sandra Blatterer, Eva G. Alonso) als eigenwillige Akteur*innen zur Choreographie und verwandeln den Theaterraum in eine bewegte Installation. Weiße Neonröhren blenden uns grell, Regenbogenlichter geben sich versöhnlich … Ein Chor aus Ventilatoren neigt die Köpfe Richtung Publikum und blickt sich um. Sie erweisen uns den Dienst – ein frischer Wind im Nacken. Liz Rosenfeld lässt ihren Körper mit absehbaren Folgen des Klimawandels in Verhandlung treten, sie befragt den Zusammenhang zwischen Turbokapitalismus und ökologischen Katastrophen. Die Systeme drohen zu kollabieren, was bleibt, sind unsere Körper – ihr Beisammensein.

Dort liegt sie, die Performerin, seitlich und rücklings zu den Füßen der Anwesenden, wie ein Fels. Einen Arm hat sie nach vorne hin ausgestreckt, ihr Kinn oder ihre Stirn berühren den Boden, während sich ihre Wirbelsäule langsam zur anderen Seite hinzudrehen beginnt. Beine und Füße folgen, Rücken, Schultern und Bauch schmiegen sich abwechselnd an den Boden an, ihr Oberkörper faltet sich auf. In dieser Szene, in der Langsamkeit und Kraft, wird etwas von der Energie spürbar, die Rosenfeld in ihrem Körper kondensiert hat. Wenn sie zum Duett mit ihrem Bauch ansetzt, entfaltet dieser ein Eigenleben zwischen Objekt und Akteur – Körper Sein oder Haben? Ihre Arme hängen an riesigen schweren Seilen, unter Spannung, diagonal nach vorn übergebeugt. Rosenfelds Bewegungen etablieren neue Qualitäten von Erdung, Schwerkraft und Dynamik – ihr Körper als Energiespeicher und -lieferant setzt sich den Zuschauer*innenblicken aus.

Auch das ist Teil der Verabredung: Ich sehe neben allem anderen immer auch einen tätowierten, massigen, queeren Körper. Liz Rosenfeld ist eine Erscheinung und unwillkürlich verweisen ihre Auftritte auf Blickpolitiken, auf Körperkonzepte und -restriktionen im Tanz. Der Gefahr einer potentiellen Vereinnahmung, selbst als Repräsentantin und Stellvertreterin geltend gemacht zu werden, begegnet sie in fast selbstverständlicher Gelassenheit. Sie isoliert Körperteile und Regionen von sich selbst, stellt die Sensation mitten in den Raum.

Liz Rosenfeld ist Film- und Videokünstlerin, Performerin und Aktivistin. Sie bewegt sich zwischen den Künsten, ihre Arbeiten kreisen um Themen wie Ökologie, Klimawandel, queere Körper, Begehren und Arbeit. Im Kontext des zeitgenössischen Tanzes kann dieser grenzgängerische Zugang ganz eigene, neue Fragen aufwerfen. Für dieses Bühnenstück lassen sich kaum vertraute Schablonen anlegen – die Szenen (Stimmungsbarometer) folgen seltsam unverbunden aufeinander, geben sich unbeeindruckt von dem, was vor ihnen war. Der Abend hinterlässt eher den Eindruck einiger Momentaufnahmen, ein diffuses, aber eindrückliches Gefühl. Eine dunkle Vorahnung, wie ein herannahendes Gewitter.

Am Ende ist jedoch jede*r auf ihren*seinen (eigenen) Körper zurück geworfen: Zellen, Blut, Fleisch und Knochen. Träger von Energie. Umrisse unserer Selbst, nach den Sintfluten, vor den Stürmen, zwischen den Gezeiten.