Die Performance „Night Glass Day Mirror“ von The Instrument liest sich als Zwischenraum von Tanz und Klang
Dämmerlicht, zwei Performer eng an den Boden geschmiegt.
Zwischen ihnen lässt sich eine Art kleine Werkbank ausmachen, auf der
sich verschiedene Objekte befinden. In der rechten hinteren Ecke des
Studios ragt eine Fantasie-Gestalt in die Höhe, die, aus weißem Stoff
und Aluminium bestehend, ein Gespenst mit silbernem Haupt assoziieren
lässt. Zwischen den beiden entspinnt sich im Folgenden eine Interaktion,
die tänzerische Bewegung und Klangerzeugung eng miteinander verkoppelt
und ihre verschiedenen Schichten aufeinander einwirken lässt.
Die Tänzerin und Choreografin Maya M. Carroll und der Musiker und Komponist Roy Carroll, die seit 2006 zusammenarbeiten und 2011 die Company The Instrument als Brennpunkt ihrer Ideen gründeten, die sich zwischen Performance, Musik und bildender Kunst bewegen, beschäftigen sich vor allem mit den porösen Grenzen zwischen Choreografie und elektro-akustischen musikalischen Prozessen. Nicht so sehr Anne Teresa de Keersmaekers Fragehaltung ‚Who is first? – Musik oder Tanz?’ ist bei ihnen Thema, als vielmehr die Erkundung des Zwischenraums von Ton und Bewegung.
Die Bewegung der Tänzerin ist nicht bloße Reaktion auf die Geräusche, die Roy Caroll beispielsweise durch das Reiben seiner Hände auf einem Trommelboden erzeugt, sondern gibt selbst Impulse für die Dynamik der Klänge. Die zunächst langsame und bedächtige Körperentfaltung der Tänzerin korrespondiert dabei mit den Klängen, die von einer zurückhaltenden, abwartenden Qualität sind. Zunächst leise und technisch, animieren sie die Performerin zunehmend, auszubrechen, die Arme geradezu ruckartig ausschlagen zu lassen. Der Radius beider bleibt dabei limitiert – auf dem Boden zeichnet sich ein heller ausgeleuchtetes Viereck ab, innerhalb dessen Grenzen sich das Geschehen abspielt. Wie auf einer Scholle sind die Performer*innen in engem Kontakt zueinander, immer wieder begeben sie sich in Formationen direkter Zuwendung, bei der sich ihre Gesichter ganz nahe kommen. Einmal sitzen sie sich am Boden gegenüber, zwischen ihnen ein langes, schmales Mikrofon. Sie bilden mit ihren Händen, die wie zum Rufen erhoben vor den Mündern schweben, einen Tunnel von Gesicht zu Gesicht und beginnen, kehlige Laute auszustoßen, die, erst wie ein Räuspern, schließlich als ein den Raum füllender Klang, verstärkt auf das Publikum eindringen. Und obwohl die beiden ihre Hände wieder voneinander lösen, bleibt der Klang bestehen, hallt nach und voraus und zwischen ihnen.
Das Hören schärft die Wahrnehmung für den Tanz. Nach einem Black mit Positionswechsel der Performer*innen auf der kleinen Lichtinsel ertönt ins Dunkel hinein zunächst nur ein monotones und rhythmisches Schleifen, wie von einer Maschine erzeugt. Erst nach und nach erhellt ein dämmeriges Licht die Tänzerin, die mit dem Oberkörper vornübergebeugt ihre Arme im Rhythmus der Maschine energisch hin und her schwingt. Dabei hängen ihre langen Haare vor ihrem Gesicht, verdecken es ganz und bilden so einen Schutz vor dem Außen. Die Bewegung wird durch das Hören, durch die Übertragung des Rhythmus, besonders fokussiert, ohne dabei bloße Illustration zu sein.
Die Schlussszene setzt dann zusammen, was sich an Eindrücken während der 45-minütigen Performance angesammelt hat: Als die Tänzerin ihre Füße in Aluminium einwickelt und der Komponist sein Hände, mit denen er schließlich ihre Füße berührt, kommt durch die knisternde Materialität des Aluminiums ein konkreter Kontakt zwischen beiden zustande. Sie scheinen durch die silbernen Kontaktstellen besonders verbunden zu sein. Als die Tänzerin sich schließlich nach dem Gespenst ausstreckt, das jetzt eine grün erleuchtete Mitte hat, ohne es zu erreichen, wirkt dies wie die festgestellte Essenz der Performance. Diese Szene ist als einzige eingebunden in Musik, die Caroll nicht live erzeugt, sondern die den ganzen Raum noch einmal einhüllt in ein beeindruckendes Bild. Vielleicht manifestiert sich in dem abstrakten Gebilde des Gespenstes etwas, nach dem miteinander Verbundene streben, ohne es wirklich zu erreichen. Die Nähe zwischen Tänzerin und Musiker, zwischen Choreografie und Klang, die während des Stückes etabliert wurde, steht hier in Konfrontation zu etwas Größerem, nicht Greifbaren. Trotzdem aber scheint dieses letzte Bild nicht schwermütig oder verzweifelt zu sein. Vielleicht zeigt es uns den Zwischenraum von Tanz und Klang, in dem alle Spiegel blind sind.
Als ich den Raum verlasse, habe ich trotz des poetischen Schlussbildes allerdings das Gefühl, nichts besonders Aufregendes gesehen zu haben.