Unter der Leitung von Nadja Raszewski macht „objects“ in der TanzTangente die Zuschauer*innen zum Teil einer rätselhaften interaktiven Reise zu Räumen, in denen natur- und menschengemachte Systeme aufeinandertreffen.
Noch bevor alle einen festen Platz im Hof der TanzTangente in der Ahornstraße in Steglitz gefunden haben, geht es lautlos und unerwartet los. Eine Tänzerin läuft auf vereinzelte Zuschauer*innen zu, nimmt sie bei der Hand und lässt sie an einem anderen Punkt des Hofs wieder los, der mit Skulpturen von Orbitalen unterschiedlicher Farben und Größen bedeckt ist. Fünf weitere Tänzerinnen kommen rennend dazu. Sie schweben um die Skulpturen, im begrenzten Raum der Skulpturen, um die Zuschauer*innen herum, verschwinden und tauchen wieder auf. Manche Zuschauer*innen weichen den unberechenbaren Bewegungen der Tänzerinnen aus. Es bilden sich stets kleinere und größere Planeten- oder Atomsysteme und bevor sie ein sinnvolles Ganzes ergeben können, gehen sie wieder auseinander. Die ständige zielstrebige Bewegung, um eine Ordnung im Chaos der Formen, Lebensformen und Materie zu schaffen, scheitert jedes Mal und beginnt von vorn.
In diesem ersten Teil des Abends, der sich “sobjects” nennt, und dessen Objekte und Installationen von Dorothea Fischer kreiert wurden, wird das Publikum von einer Station zur nächsten geführt. Ohne eine Ansage, was zugleich Neugier und Desorientierung auslöst. Zuerst ein Raum mit einem Konstrukt aus Stöcken, das an ein Spinnennetz oder ein Lasernetz erinnert. Dann ein anderer Raum mit Bildern, die gleichzeitig aus der Natur oder dem Weltall stammen könnten. Diese räumliche Ungewissheit begleitet das ganze Stück. Im Hintergrund ertönen Gedichtszitate der deutsch-amerikanischen Theoretikerin Hannah Arendt: “Auch ich tanze, in ironischem Glanze.” Die Wörter “schwebend” und “Schwere” wiederholen sich. Arendts Gedichte stellen keine intellektuellen Fragen und bieten keine Antworten zum Menschsein. Sie wirken wie Versuche, ihren persönlichen Empfindungen einen fassbaren Raum im Universum zu geben, auch wenn dieser Raum oft eine spürbare, aber nicht fassbare Leere enthält. “Objects” macht genau diese rätselhafte Leere spürbar, vor allem in den Momenten, in denen sich weder die Zuschauer*innen noch die Tänzerinnen gemeinsam an ein und demselben Ort befinden.
Im zweiten Teil, oben im Studio, sind die Zuschauer*innen nicht mehr aktiv und bezeugen Nähe- und Distanz-Konflikte, die durch die Begegnungen der Tänzerinnen, nicht nur miteinander, sondern auch mit Objekten (abermals symbolisiert durch Stöcke) hervorgerufen werden, mit deren gestaltender oder begrenzender Geometrie. Die Objekte kontrollieren die Menschen oder sperren sie ein. Durch ihren Besitz ergreifen oder verlieren die Tänzerinnen die Macht oder werden selbst zu Objekten. Die elektronische Musik fließt dabei in moderne Klassik. Die Linien und die Lichter sind nie zu scharf. Nichts wirkt wirklich “hi-tech” oder aus einer spekulativen Zukunft, sondern zeugt eher vom Jetzt.
Was genau aus dem Science-Fiction-Film “Ex Machina” von Alex Garland das Stück – wie angekündigt – inspiriert hat, lässt sich nicht konkret beantworten. Vermutlich weniger der Mythos um künstliche Intelligenz, welcher entweder die Maschinen oder die Menschen zu bösen Göttern macht. Vielleicht war es die Schlüsselszene, in der eine Maschine die Befreiung durchs Erkennen ihres Selbst in einer anderen Maschine gefunden hat. Bei „objects“ gibt es viel Reibung auf der Bühne, viel Spannung zwischen Kontaktwunsch und dem Wunsch nach mehr Raum, was nicht immer mehr Freiheit heißt. Aber ganz am Ende verlassen die Tänzerinnen einen eingeschränkten Lebensraum, der von einem Quadrat bestimmt wurde, nicht einzeln und alleine, sondern jeweils zu zweit.