New Report on Giving Birth, Wen Hui / Living Dance Studio © Jörg Baumann

„I gave Birth to a Hawk“. Oder: Von den nicht enden wollenden Wehen

Mit New Report On Giving Birth (6.+7.3.2024, HAU Hebbel am Ufer (HAU2)) baut die chinesische Choreografin und Tänzerin Wen Hui auf ihren vor 20 Jahren präsentierten Report On Giving Birth auf. Gemeinsam mit drei weiteren Tänzerinnen zieht sie Bilanz: Was hat sich inzwischen für gebärfähige Körper verändert, was nicht?

Geboren und also auch gebärt wurde schon alles Mögliche: Gedanken, Pläne, Romanfiguren, ganze Kompanien, Drillinge – oder eben Falken. Genau das ist es, was Parvin Saljoughi, Tänzerin in der Performance New Report On Giving Birth, im Traum passiert. Ihr Falke ist eine Achselgeburt. Sie schiebt ihn nicht in einem Kinderwagen, sondern trägt ihn auf dem Unterarm in die Welt. Parvins Vater findet das unerhört, doch er lebt im isolierten Iran und könnte, selbst wenn er wollte, nichts dagegen tun.

Diese kuriose Begebenheit steht nicht ohne Grund am Anfang meines Berichts. Viele der dokumentarischen Geschichten, die im Verlauf des Abends auf der Bühne erzählt werden, sind weniger magisch. So spricht etwa Wen Hui von ihrer selbst gewählten Kinderlosigkeit und dem Hintergrund ihrer Entscheidung: Chinas Ein-Kind-Politik, die zu massenhaften Abtreibungen weiblicher Föten und zum Missbrauch von Frauen und Mädchen als Leihmüttern führte. Alessandra Corti wiederum, Tänzerin und Mutter, listet auf, wie viele Frauen in ihrer Familie trotz besser bezahlter Jobs ihre Berufe für Ehemann und Kinder an den Nagel hängten. Dass sie „alles“ will, Mutter sein und arbeiten, werde ihr heute zum Vorwurf gemacht.

Es sind Myriaden unterschiedlicher Unterdrückungskomplexe, in denen gebärfähige Körper in ihrer Entscheidungsfreiheit beschnitten, physisch, emotional und ökonomisch diskriminiert werden. Die Geschichten sind uns bekannt, haben sich oft wiederholt. Einiges mag sich in den letzten 20 Jahren, seit dem letzten Report On Giving Birth, verändert haben und glücklicherweise ist das Gebären eines Kindes für viele ein wunderbares Ereignis. Zugleich jedoch drohen Gesetzesänderungen selbst in Staaten, die ein demokratisches oder gar progressives Image pflegen, hart erkämpfte Reproduktionsrechte wieder abzuschaffen. Die Wehen in diesem politischen Kampf wollen einfach nicht enden.

Formal überzeugt mich an New Report On Giving Birth vor allem das aus Heimtextilien gestaltete Bühnenbild, das sich ständig aufs Neue verwandelt: Decken, die an Wäscheleinen hängend zu Projektionsflächen für die Gesichter und Geschichten weiterer (Nicht-)Mütter werden, oder in zusammengerafften Bündeln zu bauchartigen Körpererweiterungen. Indem die Soundlandschaft (Matthias Engelke), in der sich Atemgeräusche, persische Gesänge und Jazz treffen, die Erzählungen einbettet und zusammenhält, kommt ihr eine zentrale Rolle zu. Der Tanz selbst hingegen wirkt an manchen Stellen illustrierend oder etwas beliebig. Davon nehme ich jene Szenen aus, die sich in humorvoller choreografischer Abstraktion auf Details der Erzählung beziehen. So etwa das Duett zweier ineinander verbissener Körper, deren Münder an den Hosenbeinen der jeweils anderen ziehen – eine komplexe Darstellung gegenseitiger Abhängigkeiten.

Abgesehen von ästhetischen Vorlieben oder formalen Fragen, überzeugt mich Wen Huis Arbeit letzten Endes durch ihre aktivistische Qualität, denn es gelingt ihr, rund um ein politisch zermürbendes Thema zu versammeln, an seine Aktualität zu erinnern und zum Handeln aufzurufen.


New Report On Giving Birth von Wen Hui wurde am 6.+7.3.2024 im HAU Hebbel am Ufer (HAU2) gezeigt.