CARDIAC, Katrina E. Bastian ©Mayra Wallraff

Der Brutalismus des Herzens

CARDIAC. The Heart is a Muscle spielt vom 29. bis 31. März 2024 in den UFER_STUDIOS Berlin. Katrina E. Bastian hinterfragt die Kommerzialisierung der Liebe und die Fetischisierung von Anstrengung anhand des eigenen Körpers.

Auf der Bühne ein Fitnessstudio mit Pfeilen auf dem Boden, die die Richtung angeben, dazu ein Bildschirm mit dem Herzschlag der Tänzerin. Das Zirkeltraining beginnt: Exercise: Cardio – BPM: 129 – Threshold: 35%. In verschiedenen Zirkeln sehen wir, wie Katrina E. Bastian ihr (gebrochenes) Herz auf Hochleistung trainiert. Dabei spielt sie mit Vorstellungen von Liebe, die beinhalten, sich selbst für die andere Person aufzugeben nein, für das Konzept der hyper-romantisierten Liebe selbst. Die Performerin schleudert eine Kettlebell um sich. Mit einer Kurzhantel springt sie in eine tiefe Kniebeuge, streckt dabei die Hantel über den Kopf. Nächste Übung exercise: pumping: Die Arme werden durch die Luft geschleudert, gepumpt wird mit höchster Intensität. Herzschlag. Wieder und wieder schauen wir Bastian dabei zu, wie sie sich abmüht, für uns das Publikum, für die Liebe, für die Software, die ihren Puls misst und angibt, wann eine Übung vollendet ist und die nächste begonnen werden kann. Herzschlag. Fremdbestimmt.

Die Anstrengung ist zu spüren, die Anstrengung ist zu hören. Tsssss. Stöhnen. Herzschlag. Wir sehen am Bildschirm, dass der Puls auf 204 steigt. Ist das nicht gefährlich? Gewalt, die auf den Körper einwirkt, von außen, von innen. Dann Luftballons. Sie werden aus der Hosentasche gezogen, aufgeblasen und im Raum verteilt. „I’m just a girl standing in front of a boy…“, „ I fall in love like you fall asleep, slowly at first…“. Ausschnitte aus romantischen Komödien  werden ins Mikrofon geflüstert (Exercise: ASMR). Herzschlag. Kostümwandel. Raus aus den Sportklamotten, rein in das abgeschnittene I <3 Britney T-Shirt. Ein neuer Zirkel beginnt. Die Choreografie zu Oops!… I Did It Again wird erst begeistert getanzt, dann bloß ausgeführt, dann müde, fast genervt, weiter durchgeführt. Das Geschehen steigert sich, bis die Tänzerin nicht mehr kann. Sie liegt am Boden, die Kurzhantel halb umarmend. Traurige (vielleicht auch überdramatische) Opernmusik erklingt. Dann starten neue Zirkel. 

Am Ende ist die Tänzerin ohne Verkleidung, ohne Schutz nackt. Sie balanciert auf einem Turm von Gewichten. Der Turm wackelt, sie wackelt. Trotzdem steigt sie immer wieder auf dieses Podest. Sie singt: „I’ve looked at love that way, but now it’s just another show“. Ändert sich jetzt ihr Ausblick auf die Liebe? Das eindringlich Gelernte und in den Körper Eingeschriebene kann nicht einfach so abgelegt werden. Bastian beginnt mit erneutem Pumpen der Arme, stört die eigene Balance. Sie wirkt trotzdem stolz, dirigiert uns von der erhöhten Position aus. Am Ende wird die Bühne aufgeräumt, Rosenblätter zur Mitte der Bühne gefegt. Der Stapel an Gewichten fungiert nun als Vase für einen Strauß roter Rosen. Die Performerin setzt sich zu uns ins Publikum. Gemeinsam betrachten wir das Setting, lassen die vielen vorherigen Eindrücke auf uns wirken. Dabei erklingt Both Sides Now (Joni Mitchell) und wir fragen uns gemeinsam, was Liebe überhaupt ist und ob sie überhaupt ohne Kommerzialisierung existieren kann.


CARDIAC. The Heart is a Muscle von Katrina E. Bastian wurde vom 29.-31. März 2024 in den UFER_STUDIOS Berlin gezeigt.