„The Horror Woman“, Noga Abramovitch, Helen Burghardt & Zoe Goldstein © Alexandra Hennig

Horror Or Rorroh

Aus der Schreibwerkstatt des A.PART-Festivals, vierter Teil: #Halb automatisch, halb Papier, halb Tasten. In Lena Michaelis´ Beschreibungen zu „The Horror Woman a.k.a. too dark … too sweet … too dead?“ von Helen Burghardt, Zoe Goldstein & Noga Abramovitch (25./26. Mai 2019) mischt sich #x als Phantom ein und durchkreuzt den Text als Tiefstaplerin.

Drei blutige Bräute in Weiß, ein Familienfoto, etwas entfernt auf einem Beistelltisch, das Bloody-Marry Gemisch und ein Portrait.

In der Ankündigung: Viel Blut und Dunkelheit, jetzt aber nicht möglich, wegen Tageslicht und Reinigungsaufwand, ist das bereits Teil des Stücks?das sind Produktionsbedingungen der Freien Szene – keine Zeit, keine Reinigung auf dem Hof. Oder du meinst, wir wurden verschont?
Accidently not! Blut sehen, ohne Blut. Schwarze Romantik, Melodram und Horror flackern auf. Die Übergänge werden sichtbar. Die Wut der Gitarren, ein Nirvanaschrei, der im Körper zittert. Anger, anger in den Wangen, durch die Nase geschüttert und kommt zu den Ohren heraus, aaaaaah, raaaaaaa, die Tastatur kommt nicht hinterher.killing me softly Den Schreck herunterbrechen, demaskieren in seiner Inszenierung von Bewegungen, die doch direkt im Körper sitzen. Das Zusammenziehen, die Würgegriffe, das Gehen über den Anderen, Festhalten vor Angst.Entsetzen. Frauenkörper, die sich schütteln und sich selbst demaskieren. Der Andere in uns? wird ergriffen. Das Erschrecken ist auf das Publikum hin ausgerichtet, spielt mit dieser Perspektive. Getanzte Schreie. Das Sehen des Horrors, die lustvolle Erwartung der Angst, des Schreis, der Bewegung, die als Unterdrückung unter Ellenbogen, Füßen, Händen und Armen im Würgegriff heruntergebrochen wird.Frauen, die sich vor Schrecken zusammen krampfen, die Augen verdrehen und sich rücklings werfen – wer setzt diese Bilder in Szene? Wer ergötzt sich an diesem Krämpfen, dem Entsetzen – was ist mit Frauen in Horrorfilmen los? Wer wird von wem umgebracht und wann tauschen (wir) die Rollen? Halte sich, wer kann… Die einzelnen Bilder tauchen auf und verschwinden im (Dunkel). Das Blut, das nicht kommt. Diese Dramaturgie erinnert an Schnitttechniken in Horrorfilmen, zeitgenössische schwarze Romantik im Tanz und Butoh-Ästhetik – das Auftauchen und Verschwinden, die das geisterhafte Erscheinen provozieren. Im Aufscheinen schon das Verschwinden und die Erinnerung, die Bewegung in der Dunkelheit aufblitzen lässt. Die Angst mit gespreizten Fingern. Das Kauen, das Nagen am eigenen Körperden man nicht los werden kann. Die Wut, der Schreck, das Fangen mit der Zunge geht in ein Lachen über. Der Schaum, der aus dem Mund tritt, zur Freude des Publikums. Was ist Schreck und was ist Lachen und wo sitzt die Lust? Eine Absage an Freud?Freud Freud Freud Freud Freud – den werden wir auch nicht mehr los. Wann killt jemand die alten Männer oder wer treibt wem den Teufel aus?

Worte werden erbrochen. Röcheln, Schreie, die Sprache der Besessenen wird entstellt (Michel De Certeau)der auch noch. Verkrampfte Hände, zwischen Schrecken und Lachen. War das ein Butoh-Fu? Mit der Zunge wird der Blick gefangen. Figurationen des Bösen oder Figurationen des Weiblichen? Hier trifft der Begriff der Dekonstruktion, die aus den konkreten Körpern spricht!!! Selten habe ich eine so starke Kritik gesehen, die aus den konkreten Körpern heraus entwickelt sprichtund mich fast zu Lachkämpfen schüttelt. In diesem Stück wäre ich gern selbst Tänzerin gewesen.Feministische Exorzistin.

Die Verhältnisse der Konstruktion des Weiblichen im Horror, des Bewegungsvokabulars, der Sprache der Besessenen werden durchgespielt und zeigen gerade darin den Widerstand dessen, was sich mit ausspricht. Die Darstellung der Angst geht über in eine Fuck-You-Geste und sie haben so richtig Spaß dabei. Wer spricht hier die Wahrheit aus? Spannung, Zittern und Lachen werden als Phänomene eines Bewegungsvokabulars gezeigt. Die Attitüden der Angst mit gespreizten Fingern werden in der Pose demaskiert. Feinsinnig wird dieses Bewegungsvokabular als Vokabular ausgestellt. Hier wird der Horror als Fiktionalisierung von Weiblichkeit selbst exorziert.soooo dark…sooo sweet…sooo untot.

Foto: „The Horror Woman a.k.a. too dark … too sweet … too dead?“ von Helen Burghardt, Zoe Goldstein, Noga Abramovitch ©Mayra Wallraff


Die Schreibwerkstatt im Rahmen des A.PART-Festivals 2019 im ada Studio wurde von Alexandra Hennig und Johanna Withelm ausgerichtet. Hennig und Withelm haben bereits regelmäßig auf tanzschreiber publiziert, während ihrer Zeit als Studioschreiberinnen-Duo des ada Studios (2017/18) entwickelten sie eigene Methoden des dialogischen Schreibens.

Bei diesen hier auf tanzschreiber.de veröffentlichten Texten handelt es sich um Werkstatt-Texte. Sie sind in geteilter Autor*innenschaft von Teilnehmenden der Schreibwerkstatt im Mai 2019 entstanden, instant – jeweils direkt im Anschluss an den Besuch der Generalproben.

Die Schreibwerkstatt fand im Rahmen von mapping dance berlin statt, einem Modul des Projekts „Attention Dance II“, das von 2018-2021 durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und die Senatsverwaltung für Kultur und Europa gefördert wird.