„Bondage Duell“, Silke Schönfleisch-Backofen und Dasniya Sommer © Institut Sommer

Gefesselter Dualismus

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In den Sophiensaelen (ent)fesseln Silke Schönfleisch-Backofen und Dasniya Sommer mit „Bondage Duell“ ihre Körper.

Das erste Kapitel des Abends ist mit „Einzug der Gladiatoren“ überschrieben und tatsächlich: Die Anordnung der Stühle im Halbkreis bilden eine Art Arena, in die laut zischend und sehr dramatisch Kunstnebel gespuckt wird. Aus dem dunklen Hintergrund erscheinen die 114 cm kleine Regierungsdirektorin und nebenberufliche Performerin Silke Schönfleisch-Backofen und die 178 cm große Tänzerin Dasniya Sommer und kommen den Zuschauer*innen-Erwartungen, die sich beim Titel der Performance unweigerlich einstellen, gleich einen Schritt entgegen. Silke Schönfleisch-Backofens Körper ist von Seilen umschlungen, die nach japanischer Fesseltechnik kunstvoll verknotet sind; mit kleinen Schritten und an unterstützenden Gehhilfen, tritt sie in das Sichtfeld des Publikums, hinter sich einen kleinen Wagen, auf dem Dasniya Sommer in hautengem Anzug und in prolligen Posen ein Dreirad über dem Kopf schwingt.

Dieses Bild ist eindrucksvoll, weil es den Rahmen des körperpositiven Festivals „Every Body“, innerhalb dessen „Bondage Duell“ gezeigt wird, direkt auf den Punkt bringt: Dass es bei „Every Body“ um die Hinterfragung von körperlichen Normierungen und um den Umgang mit Körpern und ihren Potenzialen jenseits des dominierenden Ideals gehen soll, führen uns die Performer*innen, die mit ihren Körpern eben jene Differenz zwischen Ideal(vorstellung) und der Abweichung illustrieren, vor Augen. Das funktioniert hier aber nicht wertfrei, sondern ist verbunden mit der Assoziation eines Dominanzverhältnisses, das im weiteren Verlauf zuerst forciert und dann konterkariert wird. Wenn Dasniya Sommer die gefesselte Silke Schönfleisch-Backofen wie ein Packet anfasst, sie durch die Luft schwingt und schließlich, mit einem Fuß auf dem Brustkorb, wieder entschnürt, ergibt sich ein relativ plakativer Gegensatz von groß und klein, unterwürfig und dominant, aktiv und passiv usw.. Und auch als dieses Verhältnis sich umkehrt, indem Silke Schönfleisch-Backofen, auf dem Dreirad ihre Kreise um Dasniya Sommer ziehend, sie wie eine Spinne ihre Beute mit einem Seil einspinnt, sie dann auf den Boden delegiert mit bestimmten Stupsern und schließlich Sommers Kopf mit buntem Latex-Tape so umwickelt, dass es einen ängstigt; selbst dann bleibt das Verhältnis der beiden seltsam, fast schon forciert, dualistisch. Das „Duell“ scheint aus diesem Zelebrieren des Gegensatzes geboren, wird insofern aber dem Rahmen des Festivals nicht ganz gerecht, das sich ja gerade mit der Vielheit von Körpern und Körperkonzepten auseinander setzt.

Die hier vermissten Zwischentöne entstehen erst später, wie in den Kapiteln „Undress me“ oder „Ladies in Unterwäsche“, die durch die sehr nahen und aufeinander bezogenen Bewegungen einen intimen Tanz ergeben, der zwischen Zuneigung, Verwirrung, Vertrautheit und vielleicht einer leisen Unsicherheit oszilliert. Wenn Silke Schönfleisch-Backofen beispielsweise auf Dasniya Sommer liegt, sich mit sachten, kleinen Bewegungen deren Körperformen anpasst und sich die Gesichter dabei so nah kommen, dass sich ihre Lippen (fast) berühren, dann ist es hier besonders die intensive Wahrnehmung der Anderen, die die vorher heraufbeschworene Gegnerschaft der beiden entkräftet und vor allem ergänzt. So müssen die unterschiedlichen (Körper)Potenziale der beiden Performer*innen nicht im Gegensatz zueinander stehen, sondern können sich lustvoll miteinander verweben.