“Rhythm Is The Place”, Juan Domínguez ©Dieter Hartwig

Ein ausgeprägtes Rhythmusgefühl

Rhythm Is The Place hat eindeutig Sinn für Humor. Komponiert vom Clown-Cowboy-Tänzer Juan Domínguez präsentierte sich die Performance am 16. Februar 2023 im Radialsystem – augenzwinkernd – mit einer Vielzahl exzentrischer und esoterischer Anspielungen, als wolle der Künstler eine Art Elternwitz wagen.

Die Show beginnt im Zwielicht, der Lautsprecher knistert leise (Sound: Carola Caggiano). Ein Gefühl wie in Unterwasserwelten. Die Bühne ist kahl, bis auf ein paar grüne und violette Screens, die immer wieder für zehn Minuten in Licht baden und uns zuzuzwinkern scheinen. Ein rythmisches Stottern und Knacken ertönt. Der Künstler tritt auf, mit Kappe und Quaste. Domínguez bewegt sich halb schunkelnd, halb tanzend zum Klicken und Ploppen der Speaker. Meditativ gleitet er über die Bühne. Schließlich ersetzt ein gleichmäßiges Klacken die sporadische Geräuschkulisse. Es mischt sich mit dem Tappen der leisen Sohlen des Künstlers und dem gelegentlichen Knarzen der Bühnenbretter des Radialsystems.

Das alles klingt wie ein bescheidener Auftakt. Es ist ein bescheidener Auftakt, der den Ton für den Rest der Performance setzt. Domínguez fährt demonstrativ eine Nebelmaschine aus dem Saal. Dabei ist der Nebel, der sich über die rückwärtigen Monitore auf der Bühne legt, so dicht, dass nur noch die Füße des Tanzenden zu sehen sind. Füße, die durch den Raum schlurfen, hier und da etwas überspringen, durch den Saal hüpfend. Wer sich in diesem konzentrierten Bereich aufhält, hat viel Zeit zum Nachdenken. Ich bewundere – ich kann gar nicht anders – die Überzeugung, mit der sich der Künstler seinem Konzept verschrieben hat. Rhythm IThe Place erkundet erklärtermaßen „Raum und Zeit“ und das „soziale Potenzial der Live Performance“. Der eine und die andere im Publikum fühlt sich bei der Premiere gleichwohl antisozial. Nicht alle bleiben bis zum Schluss. Soll das ein Witz sein? Ein Scherz? Dennoch scheint Rhythm IThe Place doch einen todernsten Kern zu haben. Das Stück legt den Fokus auf das, was nicht präsent ist, und richtet den Blick auf die Unterhaltungswünsche des Publikums, die es nichtsdestoweniger fast komplett zurückweist – zugunsten der spezifischen Situation und des räumlichen Fokus. In seinem Spiel für ein Publikum aus unsichtbaren Zuschauenden als real präsenten Personen stellt Domínguez gleich mehrere Bühnenerwartungen infrage und konfrontiert uns mit einer Reihe unbequemer Momente, in denen unsere Anerkennung durch ein seltsam spektakuläres Ende in einem Glitzerkostüm und eine bizarr platzierte Decke bestätigt wird.

Doch nützt das? Die Details sind wichtig bei einem solchen Werk, das mit ungewöhnlichen Performance-Gesten operiert, mit Zögern, Unterbrechung oder – um es musikalischer zu vermitteln – mit dem Gespür für Momentum, Ruhe und diverse Tempi. Der Blick auf den Rhythmus ist ein originäres Feature des Stücks und insofern erwähnenswert, selbst wenn sich die Ergebnisse nicht in einer dem Publikum vertrauten Bühnensprache vermitteln oder auf eine Weise transportiert werden, die den Zuschauenden gefällt. Unbeschadet dessen erkundet Domínguez originär und engagiert den Rhythmus, lässt sich auf ein musikwissenschaftliches Verständnis von Zeit und Raum ein, das als eine Reihe von Thesen oder Fragen im Körper seinen Ausdruck findet. Nicht jede*r wird das Resultat lieben, doch es ist ein seltenes und einzigartiges Angebot, das das Potenzial für eine neue Richtung der Bühnensprache birgt, die hier ganz und gar den Intentionen des Performers entspricht, der die Bühne nutzt, um neue Wege zu gehen.

Übersetzung aus dem Englischen: Lilian Astrid Geese


„Rhythm Is The Place von Juan Domínguez wurde am 16. Februar 2023 im Radialsystem uraufgeführt (Performance: Juan Domínguez / Jaime Llopis. Künstlerische Beratung: Arantxa Martínez, Julia Rodríguez. Lichtdesign: Catalina Fernández. Sound Design: Carola Caggiano. Kostüm: Jorge Dutor. Produktion: Annika Stadler).

Die Performance wird noch am 18. Februar um 20 Uhr und am 19. Februar 2023 um 18 Uhr gezeigt, im Rahmen der Zusammenarbeit :LOVE: zwischen der Tanzfabrik Berlin und dem Radialsystem. Weitere Informationen und Ticketbuchung unter radialsystem.de.