„Ranunculus“(2), Daniella Eriksson © HAUT/Asbjørn Kristensen Høgsbro

Drei Mal nah dran

die Serie im ada Studio bietet Freiraum für Fragen, Unfertiges und Überraschendes

Das ada Studio ist ein Ort, an dem Zuschauer*innen immer wieder in ihren Sehgewohnheiten verunsichert und/oder für Ungeschliffenes begeistert werden können. Zutreffend auch für die vergangene, inzwischen 67. Ausgabe von NAH DRAN: Dieses Mal mit drei Arbeiten junger Tänzer*innen – am Rande der Komik (2), vor „Frauenmagazinen“(1), im Dunkeln (3).

Gabi Beiers kuratorisches Prinzip als Leiterin des Studios setzt keine thematischen Schwerpunkte – dennoch ist es oft erstaunlich, welche Querverweise und Bezüge sich unwillkürlich zwischen den einzelnen Stücken herstellen. An diesem Abend werden vor allem Fassaden von Weiblichkeit, deren Verkörperung und Sichtbarkeiten errichtet und wieder zum einstürzen gebracht – das Rampenlicht an -und ausgeknipst.

Während die zwei Performer*innen Özlem Alkış und Maayan Danoch zu einem anspruchsvoll verschraubten Konzept Taschenlampen an- und ausschalten, ist der ganze theoretische Unterbau im Transfer vom Programmheft auf die Bühne verloren gegangen. Bedeutungsschwer schreiten sie von einer Seite der Bühne zur anderen – dabei transportiert sich in „we began walking THERE we have been“(3) abgesehen von müden Augenlidern und Dämmerlicht kaum etwas jenseits der konzeptuellen Zurückweisung von Sichtbarkeit. Andererseits: nicht selten wird man in einem Theaterraum im Halbdunkeln gelassen.

Gabi Beier, Leiterin des ada Studios hat einmal gesagt, bei ihr dürften alle spielen, die ein ernsthaftes künstlerisches Interesse mitbringen, die noch Fragen haben. In den besten Fällen führt dieser Freiraum dazu, dass die gezeigten Arbeiten einem etablierten ästhetischen Kanon entgegen stehen und sehr eigene Experimente wagen. Als Zuschauer*in findet sich frau so manchmal in einem Zustand von irritierter Begeisterung wieder. Zum Beispiel, wenn die prominente Requisite des Abends in Form eines Karottenbündels in hohem Bogen auf die Bühne geflogen kommt. Daniella Erikssons Solo „Ranunculus“(2) lässt sich guten Gewissens als absurd-komisch und einigermaßen genial beschreiben. In einem unmöglichen Kostüm aus grüner Winterjacke und Zirkusoberteil steht sie in einer hinteren Ecke der Bühne, schaut verunsichert-suchend ins Publikum, ganz als könnte sie selbst nicht begreifen, wie sie dorthin gekommen ist. Dieses Mimikspiel verändert sich schnell und fortlaufend – aus Erschrockenheit wird Zorn, wird Heiterkeit, wird Verlegenheit. Zeitgenössischer Tanz meets Pantomime. Wenn sie zwischendrin betont schauspielerisch auf den Boden stampft, aus einem unsichtbaren Dolch in ihrer Hand ein Fächer, ein Gefäß, ein Hammer, eine Assoziationskette wird (Achtung: Theater-Theater) und ihre ganze Gestalt von einem Ausdruck zum anderen wechselt, ist das viel zu gut gemacht, als dass es danebengehen könnte. Die erhobenen Arme formen sich zu schlaffen Verlängerungen, zu Katzen(oder Hasen?)-Pfötchen. Dabei zeigt Eriksson nicht nur, wie wandelbar ihr Mimikspiel ist – in allem Bewegungenvokabular agiert sie präzise, unaufgeregt und virtuos.

Das erste Solo des Abend „soft fist insist“(1) ist ein Ausschnitt aus dem längeren Stück „IMAGO“– eine Konfrontation und Reflexion von Schablonen, denen frau „jung, weiß und weiblich“ sich ausgesetzt fühlt. Wie kann frau sich zu den Erwartungshaltungen, gesellschaftlichen Konstruktionen von Weiblichkeit und eigenen unbewussten Bildern ins Verhältnis setzen? Bemerkenswert an diesem Solo ist ein Spannungsverhältnis: Wie verhalten wir uns zu unseren eigenen Begehrensstrukturen? Bis zu welchem Grad erfüllen wir konventionelle Schönheitskonstrukte, die wir (reflektiert, akademisch, feministisch) natürlich/eigentlich ablehnen? Nicola Bullock zieht zunächst einige leider allzu bekannte Register von schrägen Frauenbildern – „die Hexe“, „die Irre“ –, wenn sie mit ausgebreiteten Armen vorn übergebeugt dasteht, Haare als Büschel nach oben gezogen und in den Mund gestopft. Auf der Leinwand erscheinen Bilder von Pilzen und Spinnen, später schreitet die Tänzerin Kreise auf der Bühne ab. Die Frau als Naturwesen? Als Kontrast dazu läuft ein ziemlich schlimmer 90er Trance-Pop-Song, zu dem sie (auf den Beat) durch den Raum stolziert und nicht weniger bekannte Posen von Frauen „von Welt“ einnimmt. Ein ganzer Chor von Sehnsuchtsfiguren (Beyoncé, Britney, Madonna & Co) gesellt sich auf der Leinwand als Leidensgenossinnen dazu. Bis sie sich am Ende die einzelnen Blätter der „Glamour“ unter die Achseln, in den Mund und in die Unterhose stopft, läuft sie so einige Weiblichkeitskonstruktionen Schau, ohne diese wirklich abschütteln zu können. Vielleicht war dieser Ausschnitt etwas unglücklich gewählt, vielleicht ist es auch sehr viel schwerer als gedacht, sich mit dem eigenen Frausein auseinanderzusetzen…

…von Frau zu Frau:
meine Studioschreiber-Kollegin Johanna Withelm hat den Abend aufgrund meiner Erzählungen über ein Skype-Gespräch rekonstruiert. Seit August dieses Jahres begleiten wir als Schreiberinnen-Doppel das Bühnenprogramm des ada Studios in inszenierten Streitgesprächen und geteilter Autorinnenschaft. Dieses Mal im Stille-Post-Prinzip…