„#213 BAU1 – an interactive piece“, Barbara Berti © Jan Middendorp

Bau Bau Über-Bau

Barbara Berti konstruiert im Ballhaus Ost mit ziemlich viel Minimalismus und hohem konzeptuellen Anspruch ein Gedankengerüst, das auf wackligen Füßen steht.

Die Intimität zwischen Zuschauenden und Performenden ist wahrscheinlich ein Grundbaustein im zeitgenössischen Tanz. Menschen, die sich auf einer Bühne bewegen, treten – gerade wenn das Bewegungsmaterial keine klassischen Formensprachen bedient, gewöhnlich in einem semantischen Raum ein, der immer mit einem Rest nicht zu entzifferbaren Potenzial gefüllt ist. Barbara Berti formuliert mit ihrer choreografischen Reihe „BAU – A choreography of thinking“ das Interesse, sog. „instinktiven“ Momenten menschlichen Denkens nachzuspüren. Die „bewusste“ Wahrnehmungsebene der Wirklichkeit soll gemeinsam zwischen Zuschauenden und Performerin überprüft, neuangeordnet, choreografiert werden.
Soviel zum konzeptuellen Über-BAU. Wirklich eingelöst wird dieses nach Experiment darbende Konzept im Laufe der ersten Performance „#213 BAU 1 – An interactive piece“ jedoch nur bedingt. Oder vielleicht insofern als dass jede performative Handlung und jede Begegnung zwischen Körpern immer auch von Momenten der Imagination, des (Un-)Bewusstseins/Unbewusstseins durchzogen ist. Was also macht die BAU- Reihe zu einem besonderen Umgang mit dieser Ausgangslage?
Eine Spur liegt sicher in der Erscheinung von Barbara Berti als Performerin. Sie tritt auch hier mit gewohnt minimalistischen Mitteln, in einem intimen Setting auf: ein leerer Bühnenraum, von einem schwarzen Vorhang begrenzt, der nach sich hinten zu einem Spalt hin öffnet und dem Raum dort eine Tiefe verleiht, Barbara Berti selbst – in ockerfarbener Kleidung, fast unscheinbar, auf jeden Fall in gewohnt betonter Gelassenheit. Ruhigen Schrittes durchmisst sie Bühne. Ihr Blick Richtung Publikum ist ein abwesend-suchender. Halb geöffneter Mund und in die Ferne (oder in ein Inneres?) schweifende Augen verraten, dass es um abwesende Prozesse der Wahrnehmung gehen soll. Die Resonanz zwischen ihr und dem Publikum lenkt scheinbar Richtung und Intensität ihrer Bewegungen. Oder veranlasst mich nur das Programmheft zu dieser These? Alles an diesem Tempo, an diesen Bewegungen und Schrittfolgen so ausgeglichen, so von Unaufgeregtheit durchzogen, wie man es auch von zeitgenössischen, von BMC und somatischen Praktiken informierten Performances nur allzu gut gewohnt sind.
Okay, mal angenommen, sie ist dabei, etwas nachzuspüren… Innehalten, Einatmen, Ausatmen. Können wir den Moment ausmachen, der sie zum Bellen veranlasst hat? Denn das ist die beste Szene des ganzen Abends: Barbara Berti steht in einiger Nähe zum Publikum, starren Blickes, scheint in eine andere Dimension zu versinken, ihre Lippen beginnen, sich langsam nach oben zu schieben, die Zähne kommen zum Vorschein… eine leichte Beugung des Oberkörpers setzt ein, das Zwerchfell zieht sich zusammen, Schultern zucken, Arme hängen schlaff herab: …“Wwwwwuff. Wwwwwwuuuuufff.“
Dieser Moment, in dem überraschend ein Bellen und Knurren aus der Performerin herauszubrechen droht, ist einer, der wirklich so etwas wie einen imaginativen Raum aufmacht.
Wenn sie daran anschließend beginnt, ihre weitere Impro/Choreografie mit Sätzen und Versatzstücken zu unterlegen, die sich direkt und indirekt an die Wahrnehmung der Zuschauer*innen richtet und diese zu lenken versucht: „what do you see?…Let it go…Don’t think too much“, führt das allerdings weniger zum intendierten „meditativen“ Zustand, sondern eher dazu, diese Lesart allzu stark zu forcieren. Soll die Wahrnehmung dadurch verkompliziert werden, so gerät der konzeptuelle Über-BAU genau an der Stelle ins Wanken, an dem er allzu didaktisch eingefordert wird.