The Most Beautiful Name of Fear, Sofia Ó ©Nadja Kouchi

Zu Protokoll

Am 12. und 13. April 2024 präsentierte Sofia Ó The Most Beautiful Name of Fear im Acker Stadt Palast. Eine mutige Soloperformance getragen vom Charme der Künstlerin.

Sofia Ó im Scheinwerferkegel: Sie liegt auf der Seite, das Gesicht von uns abgewandt. Drei lange, schmale Kunststoffbahnen hängen von der Decke, wie Banner, die ausgerollt wurden. Es wird still im Saal. Ó regt sich langsam, beginnt zu zucken. Wellen der Bewegung breiten sich von ihrem Rumpf bis zu ihren Gliedmaßen aus. Ihr hell-transparentes Hoodie raschelt. Das Arrangement lässt mich an die Zeitlupenaufnahme einer Larve im Stadium der Verpuppung denken. Ós Becken hebt sich vom Boden, und wir sehen, dass sie einen kleinen, altmodischen Koffer in den Händen hält. Sie öffnet ihn, und wir erleben eine weitere Überraschung: Er enthält einen Plattenspieler. Sie legt eine Platte auf und schaltet das Gerät ein.

Zum nostalgischen Knistern einer Folkloremelodie dreht sie sich nun im Kreis, als eine Art Echo der sich auf dem Plattenteller rotierenden Scheibe, zunächst auf dem Boden, dann im Stand. Schaue ich lange genug hin, meine ich, sie würde die Richtung wechseln. Eine optische Täuschung. Perfekte Technik sorgt für faszinierende Effekte, doch der kleine Plattenspieler an der Bühnenkante wirft mich auf die realen – kleineren – Dimensionen zurück. Zwar drehen sich Performerin und Schallplatte unisono, doch Ós Bewegung scheint nur gespiegelt. Ich erkenne in dieser Übung nur eine Replik.

Der Plattenspieler rückt an den Rand, und mit einer Reihe rascher, schwungvoller Bewegungen erobert Ó den Raum zurück. Sie springt, sie durchquert die Luft in abrupter Fröhlichkeit. Ihre Hingabe bei jeder Bewegung, ihre scheinbar unendlichen Energiereserven, überzeugen. Videos ihres nackten Torsos werden auf die hintere Bühnenwand projiziert. Die Textur der herabhängenden Bahnen verwandelt das Szenarium in einen Unterwasserwald. Gliedmaßen werden zu wedelndem Seegras. Ó sitzt in der Ecke und schaut mit uns auf den Screen. Wir sehen Hände, die nach ihrem Fleisch greifen und so Teile ihres Körpers im Wechsel verdecken und offenbaren. Die Bilder wurden vorab aufgezeichnet, doch in den Nahaufnahmen sehe ich, dass Ó etwas von ihrer Kontrolle und Gelassenheit aufgibt.

In einem kurzen Intermezzo der Performance stellt sich Ó hinter eine der Kunststoffbahnen und presst sich gegen diese. Ihre Silhouette erscheint für einen kurzen Moment wie hinter einem Duschvorhang. Später trägt sie den Plattenspieler im Kreis, hebt ihn gen Himmel, als sei er eine Opfergabe und schultert ihn, als wäre er ein Sarg. Am Ende reißt sie eine der Bahnen herunter und wickelt sie um ihr Gesicht. Sie macht einen Kopfstand und wird zur Pflanze in einem Plastikblumentopf. Doch diese szenografischen Elemente werden dem Charisma der Performerin nie ganz gerecht. Vielleicht irre ich mich angesichts ihrer Solo-Show in der Annahme, dass es sich bei diesem fast selbstvergessenen Vortrag um ein geradezu intimes Werk handelt. Die Details ihrer Bewegung offenbaren eine Vielzahl kleiner, vieldeutiger Bilder, die sich mit weit mehr als dem einfach zu Bestimmenden assoziieren lassen. Ihr Fuß rutscht unerwartet aus, ihr Rückgrat krümmt sich, als hätte jemand sie in den Magen geboxt… Ich kenne Sofia Ós Biografie kaum, kann mir aber vorstellen, was sie dabei empfindet. Gleichwohl sind diese Bewegungen kein Auslöser für andere Regungen. Vielmehr scheinen sie durch andere Elemente fest am Ufer verankert. Es ist – insbesondere bei einem Solo – sinnvoll, Objekte jenseits des eigenen Körpers als Rahmung zu nutzen. Doch der Rahmen hier scheint für die Künstlerin zu klein.

Übersetzung aus dem Englischen: Lilian Astrid Geese


The Most Beautiful Name of Fear von Sofia Ó wurde am 12. und 13. April 2024 im Acker Stadt Palast aufgeführt.