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Warum der Dritte Körper unerreicht bleiben muss

Koffi Kôkô und Johannes Odenthal sprechen in der Tanzfabrik Berlin Wedding im Rahmen der Open Spaces über Tanz als Ritual und die Grenzen der Übertragung.

Koffi Kôkô gilt als Vermittler zwischen den Welten – zwischen Paris und Benin – aufgewachsen in einer animistischen Priesterfamilie, führt er selbst diese Tradition fort; gleichzeitig gilt er als einer der bedeutenden Vertreter*innen des Zeitgenössischen Tanzes in Europa…Dass diese Kombination für ihn kein Widerspruch darstellt, wird er nicht müde zu beteuern, und es zeigt sich vielleicht am deutlichsten in seiner künstlerischen Arbeit. Wenn jemand das Spannungsverhältnis der ‚zwei Welten‘ (Okzident/Orient) in seiner ganzen Komplexität verkörpert, dann doch (bitteschön) er, rufen begeisterte Journalist*innen, Workshopteilnehmer*innen und wichtige Akteur*innen der Kulturszene und darin zeigt sich die Unzulänglichkeit, binäre Oppositionen (Orient/Okzident) einerseits aufbrechen zu wollen und zugleich mit ihnen operieren zu müssen, vielleicht schon ganz deutlich.

Johannes Odenthal und Koffi Kôkô sprechen seit vielen Jahren miteinander. 2003/04 haben sie zusammen das Festival „In Transit“ am Haus der Kulturen der Welt kuratiert und seitdem erweist sich die Suche nach dem „Dritten Körper“ – jenem, der nicht nur zwischen den Welten wandelt, sondern an einem anderen Ort, im „third space“ angesiedelt wäre – dort, wo sich die Grenzen von Sozialisation, Biologie und anderen diskursiven Zuschreibungen/Realitäten überwinden ließen, als unabgeschlossen. Der Körper dieser Grenzüberschreitung schreibt sich in seiner Unmöglichkeit fort, kann nur in seiner Prozesshaftigkeit behautet werden und so verwundert es auch nicht, dass dem Gespann Odenthal/Kôkô der Gesprächsstoff so schnell nicht ausgehen wird.

Odenthal, der kürzlich selbst nach Ouidah, Benin, der Heimatstadt Koffi Kôkô gereist ist, beschreibt die prägnanten Eindrücke seiner Reise: die Spuren der Französischen Kolonialisierung, die Sklaverei und paradox damit verschränkt, eine spirituelle Tradition, die genau an diesem Ort ihr Zentrum findet. Die Hafenstadt Ouidah war Zentrum der Verschiffung der Menschen über den Atlantik. Die sogenannte „Sklavenroute“ und das Tor: „Porte de Non-Retour“ stehen heute als Denkmäler des Verbrechens der westlichen Welt Tourist*innen und Besucher*innen offen.

Auf die Frage, wie er zum Tanz gekommen sei, wie sein Tanzen dadurch geprägt wurde, in einer Kolonie aufzuwachsen, entgegnet Kôkô, er habe gar keine Wahl gehabt. Es habe auch ganz stark etwas mit „resistance“, mit Widerstand zu tun.

Dort in Ouidah habe aber jenseits der Kolonialisierung eine offene Atmosphäre geherrscht – eine friedliche Koexistenz von verschiedenen ethnischen Gruppen, eine multikulturelle Gesellschaft im besten Sinn, geteilte Glaubensrichtungen und Zeremonien, die für Mitglieder verschiedener Religionen offen sind. Die gleichen Leute (selbst die Katholiken) habe man am Morgen bei der einen und abends bei einer anderen Messe sehen können. Überhaupt: Tanz, Musik, Spiritualität, das sei in Afrika nicht voneinander zu trennen, das präge den Alltag der Menschen und dieser Stellenwert von Tanz, der lasse sich nicht so einfach nach Europa übertragen. Darin liegt dann vielleicht ein entscheidender Teil des ganzen Missverständnisses, gegen das Kôkô und Odenthal schon so lange anreden:

„When I teach in Europe, I don’t do ritual“.

Auf die Nachfrage aus dem Publikum, wie es ihm möglich sei, seine Spiritualität, seinen Animismus in seinen Workshops den Teilnehmer*innen näher zu bringen, wie sie dafür offener werden können, entgegnet er schlicht, dass das gar nicht möglich sei. Zwar transportiere er etwas aus ‚seiner‘ Tradition, aber der Authentizitätsanspruch sei da ganz fehl am Platz. Es sei viel mehr der Kontext, der etwas hervorbringen kann – oder nicht. Um wirklich zu begreifen, bzw. zu erfahren, müsse man eben 8 Monate nach Benin reisen und den spirituellen Kosmos vor Ort kennen lernen. Das Körperwissen des Animismus ist keines, das sich so einfach übersetzen ließe, keines, das man „nachlesen“ könne, denn es basiere auf mündlicher Überlieferung.

Umso bemerkenswerter, dass Kôkô noch immer Workshops gibt und darin auch einen Erkenntniswert für sich zu finden scheint: „What ist the reason why people dance? / What do they want to tell?