Die Nachwuchschoreograf*innen Anita Twarowska und Murillo Basso begeben sich mit ihrer ersten abendfüllenden Produktion „For The Two Of Us. For Us All.“ auf die Suche nach neuen Begegnungserfahrungen.
Das recht intime Bühnen-Setting in der fabrik Potsdam erinnert mich beim Betreten zunächst irgendwie an eine Mischung aus Schul-Aula, Schauspiel-Probebühne und Gruppentherapieraum: gepolsterte Klappstühle die im Kreis stehen, glattes Holzparkett, ein schwarzer Moltonvorhang aus dem ein Technikpult herausguckt, der Raum komplett warm ausgeleuchtet.
In diesem Stuhlkreis sitzen wir gemeinsam mit den Performer*innen Anita Twarowska und Murillo Basso, sie zunächst mit geschlossenen Augen, er aufmerksam umherblickend. Die Versprechung einer Interaktion zwischen Zuschauenden und Performenden liegt schon jetzt in der Luft, Neugierde und mulmige Gefühle paaren sich zu einer leicht nervösen Vorahnung: Werde ich mitmachen (müssen)?
Wie entstehen Kontakt und Begegnung? Mögliche Antworten auf diese Frage werden von Twarowska und Basso in vielzähligen Facetten im Kreis der Zuschauenden durchexerziert. So schauen sie sich ausdauernd in die Augen, rennen aufeinander zu, reißen sich zu Boden und ringen miteinander, erfühlen den Körper der*s jeweils anderen, ertasten Körperteile mit den Lippen, horchen in den anderen Körper hinein, legen ihre Körper aufeinander, halten sich aneinander fest, kugeln und wälzen sich gemeinsam am Boden. Auch auf der Textebene begegnen sie sich, und entwickeln einen zunächst simpel-humorvollen, dann jedoch recht ambitionierten verbalen Dialog, der die Grundfragen zwischenmenschlicher Begegnung berührt. Was bedeutet es, sich kennenzulernen? Wie entsteht Kontakt? Wann harren wir aus und woher wissen wir, wann es Zeit ist weiterzuziehen? Inwiefern sind Zufall und Schicksal die Fadenzieher einer menschlichen Begegnung und deren Konsequenzen?
Und so schillern Anita Twarowska und Murillo Basso in einem Hybridgebilde aus Schauspiel-Dialogen mit festem Skript, Performance, Pantomime und Bewegungsrecherche, und pendeln souverän zwischen verschiedenen Auftrittsweisen. Beide sind ausgebildete Schauspieler*innen, kennengelernt haben sie sich in der Tanzfabrik Berlin während des 10monatigen Dance Intensive-Programms. Dass die präzise Arbeit mit Bewegungsimprovisation eine ihrer Stärken ist, wird (leider nur) kurz sichtbar, als sie voreinander stehen und wie aus inneren Impulsen heraus jede*r für sich den eigenen Körper durchfahren, ohne jedoch den Kontakt zueinander zu verlieren. In der gemeinsamen Bewegung stellt sich eine behutsame Intimität zwischen ihnen her, in der sie präzise aufeinander reagieren.
Zum Ende öffnen die Performer*innen ihre Blicke und durchstreifen die Augen der Zuschauenden. Und dann geschieht es doch noch: Twarowska und Basso gehen auf jeweils eine Person im Stuhlkreis zu und beginnen eine leise Unterhaltung. Sie fordern die Person auf, mit ihnen in den Kreis zu gehen und zu tanzen. Nachdem ich erst im Erdboden versinken will, beobachte ich das Geschehen doch noch mit Erstaunen. Sehr zaghaft stehen die beiden Paare voreinander und ganz langsam entwickelt sich eine gemeinsame Bewegung – zwischen Basso und Partnerin eher ausladend, zwischen Twarowska und Partner eher klein und kaum sichtbar, mit nach unten gebeugten Köpfen und verschränkten Händen. Nach und nach werden mehr Menschen aufgefordert miteinander zu tanzen, etwa die Hälfte der Zuschauenden tut es wirklich: neugierig und zaghaft, Versuche einer Begegnung. Anita Twarowska und Murillo Basso schaffen es mit ihrer sympathischen und behutsamen Art tatsächlich, diesen durchaus riskanten partizipativen Abschluss ohne größeres Fremdschämen zu meistern. Viele der Zuschauenden verlassen gelöst und beschwingt den Saal, um eine Begegnungserfahrung reicher geworden.