Project INTUS, Hoyoung Im ©Kira Hofmann

Utopie oder Dystopie?

Project INTUS von Choreograf Hoyoung Im spielt vom 12. bis 14. Januar 2024 in den UFER_STUDIOS und erzählt von Fortschritt, globalen Krisen und dem Blick ins Innere.

„Welcome to the future!” (Willkommen in der Zukunft), so beginnt der Vortrag von Hoyoung Im (umzikssi), einem motivierten Mitarbeiter von terraform.inc. Er erklärt uns wie Mars bald bewohnbar ist, dank technologischer Fortschritte und den engagierten Wissenschaftler*innen des Konzerns. Wir werden mitgenommen auf eine Reise durch das Milchstraßensystem, mit Lichtgeschwindigkeit zoomen wir vorbei an zahlreichen Planeten, unserer Sonne, anderen Sternen, bis wir schließlich im intergalaktischen Raum landen. Ein Gefühl unbegrenzter Möglichkeiten überkommt mich. Kann terraform.inc es schaffen, andere Planeten bewohnbar zu machen?

Mit dem Ende des Vortrags werden wir aus dem All zurückgeholt ins Hier und Jetzt: Eine zerstörte, wüstenähnliche Landschaft; ein minimalistisches, futuristisches Bühnendesign (von Soojin Oh). Ein die Bühne umfassendes, horizontal schwebendes Rechteck wird gebrochen von einem vertikal schwebenden Oval. Erol Alexandrov lebt auf dieser verwüsteten Erde, geht seinem Alltag nach. Dabei schleppt er den Oberkörper einer menschengroßen Puppe mit sich durch den verlassenen Raum. Mehrfach wiederholt sich der gleiche tänzerische Ablauf. Sind es Zwänge, ist es Sisyphos-Arbeit, auf dieser verwüsteten Erde einem Alltag nachzugehen? Meine Überlegungen wenden sich dem Oberkörper, den der Tänzer mit sich herumschleppt, zu. Wen oder was bekleidet, schützt, umsorgt er hier? Besteht doch die Hoffnung auf eine bessere Welt, kann sich die Dystopie in eine Utopie verwandeln und wo setzen die Versprechen von terraform.inc hier an?

Wir werden mitgenommen in eine ganz andere Szenerie. Wir befinden uns jetzt an Bord eines Raumschiffs zusammen mit einem jüngeren Mann. Der Astronaut navigiert das Raumschiff gekonnt durch die Galaxie, die Handgriffe entwickeln sich zu einer spannenden Choreografie. Hoyoung Im steuert das Schiff gezielt auf das Schwarze Loch Intus zu. Er will wissen, wie das Innere des Schwarzen Lochs aussieht. Für die Wissenschaft ist er bereit sein Leben zu geben, für Fortschritt, für neue Möglichkeiten, für seinen Konzern. Ich denke über Heldentum nach, aber auch über Einsamkeit auf dieser Mission und der konstanten Auseinandersetzung mit sich selbst. Obwohl mich vorher ein Gefühl der unbegrenzten Möglichkeiten überkam, finde ich es nun absurd die unbekannten Dimensionen des Alls zu erforschen, statt alles daran zu setzen unseren Herkunftsplaneten zu retten.

Im Schnelldurchlauf sehen wir Kindheitserinnerungen des Darstellers bis hin zum jetzigen Moment. Er trifft auf sich selbst, dann auf den anderen Tänzer. Beide Generationen finden sich. In ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten entwickeln sie eine bewegte, kraftvolle Choreografie, ein gegenseitiges Verständnis. Mit „Wir sind die neue Generation, wir glauben, dass es etwas Besseres gibt als uns selbst” werde ich zurück in den Raum der Zuschauenden in den UFER_STUDIOS geholt. Nachdem ich eine Stunde direkt ins Geschehen auf der Bühne eingesogen wurde, in INTUS, ins Innere, wende ich mich wieder der Realität zu. Oder ist das, was ich als Realität erdenke, auch eine Utopie?


Project INTUS von Hoyoung Im (umzikssi) (Performance: Erol Alexandrov, Hoyoung Im) feierte am 13. Januar 2024 Premiere in den UFER_STUDIOS mit Vorstellungen vom 12.-14. Januar 2024.