Zwischen Begehren, Schuld und Empathie zerrissen: „The plague of desire. Portrait of a disgusting pig as performed by 3 sexy bitches“ von Jahman Davine im Acker Stadt Palast.
Drei, so der Untertitel der Performance, „sexy bitches“ erscheinen im Zwielicht, eine von ihnen zündet eine Kerze an und bläst sie sogleich wieder aus. Dunkelheit. Und der dröhnende Bass setzt ein. Eine wirkungsvolle Eröffnungsszene für das Porträt über einen jungen Mann, der verzweifelt versucht, einen Zugang zu seiner fast unkontrollierbaren Begierde zu finden und dabei zwischen Chaos und Ordnung zerrissen wird. Diese Szene garantiert auch den drei Performerinnen Tania Giovo, Edith Buttingsrud und Helena Wilhelmsson, die das Porträt tanzen, die vollste Aufmerksamkeit. Der Theatermacher und Choreograf Jahman Davine stellt sie in den Mittelpunkt seiner Performance, ohne sie dabei zu bevormunden. Zwar zeichnet er verantwortlich für Szenografie und Choreografie, die Eigenständigkeit der Performerinnen aber, die allesamt sehr charismatisch wirken, ist zu jeder Zeit spürbar.
Die Szenen gewinnen durch die Einbindung narrativer Textelemente eine deutlich theatrale Dimension. Getragen sind sie dennoch vor allem von den Bewegungen der Tänzerinnen, die mal wild, mal zart, mal überzeichnet grotesk ihre Körper um das Thema des Abends herum manövrieren. Die Qualen, die Zerrissenheit, die der anonyme junge Mann durchleidet, wird durch ihre Körper sichtbar. Sie winden sich, schlagen sich selbst, wiederholen Bewegungen bis zur Erschöpfung. Die Tanzsequenzen werden mit humoresken Statements zum weiblichen Körper und dem (erlernten) Umgang mit ihm verwoben. So erläutert in einer Szene Edith Buttingsrud den Körper von Helena Wilhelmsson, der eine Maske unbewegliche, überschminkt-typisierte Züge verleiht. Buttingsrud seziert jedes Merkmal an Wilhelmsson, immer mit sexueller Konnotation, und führt die Sexualisierung des weiblichen Körpers mit ihrer slapstickartigen Verhaspelung beim Wort „Pussy“ ad absurdum.
Ein beständiges Schwanken zwischen Witz und Ernst dominiert die Wahrnehmung der Zuschauer*innen, ausgelassenes Amüsement macht sich im Publikum beispielsweise in einer der Anfangsszenen breit, als der junge Mann, dessen Psyche hier ausgiebig zerlegt wird, geboren wird und Tania Giovo mit Säuglingskopf-Maske, die zum Weinen verzerrt ist, beleidigt und anklagend zugleich versucht, zurück in den Mutterleib zu gelangen. Doch der Ernst hält schnell genug wieder Einzug, sobald der Mann das Alter der erwachenden Sexualität erreicht: Die drei Performerinnen schildern in ihrer jeweiligen Muttersprache, auf Italienisch, Dänisch und Schwedisch (mit Übertitelung), anhand einer Grenzsituation drei mögliche Handlungsvarianten und damit einen Scheidepunkt der unbändigen Geilheit, mit der der junge Mann zu kämpfen hat. Der junge Mann geht durch eine dunkle Straße, hinter ihm eine Frau, er wendet sich um – und spielt die Szenarien einer Vergewaltigung durch. Mit dem Schlimmsten rechnend, ist es überraschend, dass schließlich sein Einfühlungsvermögen in die verängstigte Frau siegt und der Gedanke an die eigene Schwester und Freundin in derselben Situation den Ausschlag geben, dem Unkontrollierbaren nicht nachzugeben.
Diese sehr reflektierte Sichtweise setzt sich in der durchaus feministischen Performance fort, als die drei sexy bitches, die zuvor durch laszive Posen als Verführerinnen karikiert wurden, nun die Äpfel aus dem Paradies, die an Nylonschnüren unter der Decke schweben, abschneiden und sie laut krachend zu Boden fallen lassen. Die „Seuche des Begehrens“ – sie geht zu Boden durch die selbstbestimmten Frauen.