Im Theater RambaZamba spiegeln sich unterirdische Schwestern-Klischees an der Oberfläche.
Diese tanzenden „Schwestern“ haben mit Tschechows „Drei Schwestern“ vielleicht nicht sehr viel gemein, davon abgesehen, dass auch sie zu dritt sind. Regisseur Jacob Höhne hat sie in eine versenkte Landschaft verfrachtet, die an einen Meeresgrund erinnert, obwohl die Bühne zu unseren Füßen mit ihrem verspiegelten Bühnenboden recht oberirdisch anmutet. Jedenfalls werden wir zu Beginn des Stückes darauf hingewiesen, nicht vom Beckenrand zu springen.
Diese tiefliegende Arena, die Behausung der Schwestern und Begrenzung ihrer eh schon engen Welt, ist von allen vier Seiten mit Publikum bestückt. Da unten spielt jemand sphärische, elektronische (Meeres)-Musik. Am anderen Ende sitzt einer vor einem ausgebreiteten Haufen von Reklamheften, deren Seiten er geschäftig eine nach der anderen mit Bleistift vollkritzelt. Die Schwestern (Juliana Götze, Sara Lu, Hieu Pham) werden von diesem seltsam unleserlichen Wächter (Triton? Der verstorbene Vater!) im Takt angetrieben. 1-2-3-4-5-6-7-8. Eine unbestimmte Zauberformel. Tschechow (und alle anderen) hinter einer dünnen Schicht aus Blei – daran lässt sich Gefallen finden. Und dennoch wiederholt sich die Ohnmacht der drei Frauen, wie sie im Drama vom 1901 angelegt ist, schlicht auf andere Weise: Wo es laut Programmheft, um Sehnsucht nach Freiheit, Anerkennung und Liebe geht, fällt vor allem auf, dass die Drei sich selbst begrenzen, manipulieren, in gegenseitiger Abhängigkeit immer wieder einzeln und gemeinsam zu Fall stürzen. Waren daran bei Tschechow noch die äußeren Umstände Schuld, inszeniert diese Choreografie (Jacob Höhne, Sara Lu) vor allem eine (als weiblich ausgewiesene) Psychodynamik zwischen Missgunst, Nachahmung und Fremdbestimmung. In diesem Gefüge bewegen sich die Drei seltsam unbeweglich und eingeschränkt, ohne dass Sexyness in Spitzenkleidern dazu im Widerspruch stehen würde. Zu unseren Füßen liegen drei verschraubte Frauenkörper auf ihren Rücken, mit zurückgeworfenen Nacken in hingebungsvollen Posen. Ihre Beine sind schwer und unbeweglich – überhaupt ist das Vorankommen nur möglich, indem sie über die Bühne robben und diese Beine hinter sich herziehen. Hände umfassen Gliedmaßen, die von selbst keine Schritte setzen können, schieben den eigenen Körper in Position, stützen den Kopf, der sich von selbst nicht drehen würde, um das Gesicht abzuwenden. Ein wohltemperierter Taumel zwischen Aufstützen, Aufrichten, Fallen. Zwei Schwestern umkreisen die eine andere, zeigen immer wieder mit dem Finger auf sie, aufeinander, werden von ihr (der Ausreißerin?) zu Boden gestürzt beim Versuch, sie aufzurichten.
Immer so weiter und unter dem Meer: einsame Dreisamkeit. Das heißt, ein sympathisch-glucksender Wels-Fisch streift für zwei Gastsauftritte durch den Grund. Auch kommt noch ein Tiefseetaucher vorbei und treibt als Mann im Anzug die Handlung voran.
Es drängt sich die Frage auf, warum Beziehungen von Frauen (immer wieder) unter den Vorzeichen von Konkurrenz, Manipulation und Abhängigkeit von einem oder mehreren Männern erzählt werden. Kaum eine Spur von positiver Sisterhood, die nicht von den Wellen der Alt-Herren-Ozeane weggespült worden wäre. Dabei hätten den drei Darstellerinnen eine mutigere Choreografie, mehr Raum für individuelle Bewegungsqualität und ein anderer Zugang zur Geschichte als die Wiederholung der unerfüllten Sehnsucht mit Sicherheit besser zu Gesicht gestanden als die Zwei-gegen-Eine-und-Drei-gegen-Drei-Konstellation.