Makisig Akins „Asian/LOVE“ am 3. und 4. Februar 2023 im DOCK 11 – eine Uraufführung und ein Geschenk, das verdient sein will.
Vor einer Viertelstunde hätte die Vorstellung beginnen sollen, doch die Türen im DOCK 11 sind noch geschlossen. Ich kuschele mich in meinen Mantel. Es ist recht frisch hier. Langsam bewegt sich die Schlange der Wartenden, gemächlich schlurfen wir in den Saal. Vorne entsteht ein Stau: Der Durchgang ist schmal, nur wenige können gleichzeitig eintreten. Ich stehe ganz hinten und bin eine der Letzten in der Menge, die erkennt, warum. Aufgeregtes Murmeln über Schuhe, Socken und die Kälte deutet darauf hin, dass es offenbar ein Begrüßungsritual gibt. Choreograf*in und Performer*in Makisig Akin heißt uns willkommen. They deutet auf Fußbäder, die auf Tüchern angerichtet sind, und erklärt uns, freundlich lächelnd, dass wir „arbeiten müssen“, damit die Performance beginnen kann. Nach anfänglichem Widerstand sind die meisten bereit, sich aus dicken Winterstiefeln und Socken zu quälen. Nicht zu überhören leises, fröhliches Juchzen in dem Moment, als nackte Füße in warmes Wasser tauchen. Ich trödele, solange es geht. Ich trockne meine Sohlen und nehme die Schuhe mit zum Platz.
Unser Werk ist erst einmal getan, und Akin übernimmt. They bewegt sich zu einem niedrigen Tisch, auf dem Inky Lee, Co-Performer*in in dieser Inszenierung, auf dem Rücken liegt. Oberkörper und Bauch sind zu sehen. Akin nimmt Fischdärme von Lees Brustkorb und legt sie in ein Glas, wo wir sie fast den ganzen Rest des Abends über dem Bühnenboden hängend vor uns haben werden. Dann wischt they die Haut/Arbeitsfläche mit einem Tuch sauber. Das Fußbad hat mich sensorisch sensibilisiert. Ich spüre diese zarten, langsamen, taktilen Bewegungen mehr, als dass ich sie blickend wahrnehme.
Jetzt erscheinen auf den Wänden Projektionen aus Babette Mangoltes Film von Trisha Browns Watermotor (1978). Das Ritual ist beendet, und es wird ernst für Akin: They trägt den Mittelteil der Performance mit der physischen Intensität der selbstgesetzten Partituren. Zunächst gibt they alles, um Browns schnellen, fließenden Bewegungen zu folgen. Atemlos lässt Akin uns wissen, dass dies „nur ein Warm-up für mich“ ist. Verspielt widmet they sich der unmöglichen Aufgabe. Es macht Spaß, zuzuschauen. Gleichwohl verwirrt mich die Entscheidung für Brown in dieser Show. Die Wasser-Fisch-Referenz ist doch recht bemüht. Lee kreist im Raum, fächelt das Publikum, die Fußbäder, die Fischdärme im Glas. „Ich liebe diesen Part“, ruft Akin und spiegelt die Projektion. „Sie hat das Sagen. Sozusagen.“
„Asian/LOVE“ erscheint mir groß. Zu groß für 50 Minuten. Ideenreich und voller Bilder, die jeweils für sich genommen wirkmächtig und bezaubernd sind, denen es jedoch an Zeit und Raum mangelt, um sich zu entwickeln. Streckenweise erinnert die Performance an eine Wundertüte voller Klischees und Trivialem. Nach ungefähr der Hälfte des Programms stößt Lee, von Akin mühsam durch den Performanceraum getragen, diverse Geräusche aus: Begleitet von sanftem Grunzen, Seufzen, lautem Jammern, Kreischen erkundet die Co-Performerin ein Kontinuum von Lust bis Schmerz, von Sinnlichkeit bis zum Trauma. Diese Episode fasziniert mich, doch gerade als sie wirklich zu beginnen scheint, ist sie schon wieder vorüber. Rastlos geht es weiter. Ohne Pause folgt das nächste Neue: ein Frage-Antwort-Spiel der Performenden. Lee fragt Akin simple Dinge: „Was ist deine Lieblingsfarbe?“, bittet um Beschreibungen von Prozessen: „Woran denkst du, während du das machst?“ und wagt sich ins Spekulative: „Was wärst du, wärst du nicht ein Mensch?“. Es dauert nur eine kurze Weile. Ich bin nicht sicher, ob alle im Publikum es mitbekommen. Ich erkenne das Format, weil ich zuletzt Akins „GIVE ME YOUR HEART“ sah. Das echte, vergangenes Jahr in den Uferstudios. Da nutzten sie ein ähnliches Skript.
Allerdings sollte bei „GIVE ME YOUR HEART“ das Publikum die Fragen stellen. Beim Partizipativen ist Akin immer top. Da, wo they uns, dem Publikum, etwas anbietet, an unserer Seite ist, uns generös moderierend beisteht. Akins Einladungen sind stets herzlich und fest, verknüpft mit einer Verletzlichkeit und einem Humor, die auch uns Verletzlichkeit erlaubt, selbst wenn wir nicht wissen, was uns erwartet. Teilnehmen (teilhaben) wird damit nicht nur möglich, sondern geradezu begehrenswert.
In der Schlussphase von „Asian/Love“ kommt Akins Stärke voll zur Geltung. Wir erleben eine Karaoke-Party (und fragen uns, ob das Trisha-Brown-Warm-up eine Art Tanzaoke war), und tubig-tubig, ein philippinisches Gruppenspiel mit Wasserlinien, bei dem ein Team an den Händen eines anderen Teams entlang laufen muss, dessen Füße symbolisch an auf den Boden gezeichnete Linien geklebt werden. Und ein weiteres Gruppenspiel, bei dem es darum geht, Snacks von einem Stäbchengitter zu schnappen, das so hoch angebracht ist, dass die Teilnehmenden es nicht erreichen können. Wasserlinien, Lebensmittel, die wie Köder am Angelseil hängen… Wieder spielt Akin mit dem Bild des Fisches. Jemand aus dem Publikum wählt den letzten Song des Abends: Vanessa Carlton. Gemeinsam singen wir, dass wir „tausend Meilen laufen“ werden… Akins Programmnotizen rahmen die Performance als „Geschenk einer queeren Person aus Asien, die den Fokus wenden wird: nicht Schuldzuweisung, sondern Wertschätzung“ im Kontext der „Zunahme der hate crimes gegen Menschen aus Asien infolge der Pandemie“. Dies ist eine dringend nötige und komplexe Medizin, die unendlich viele Elemente birgt. Mir scheint, „Asian/LOVE“ versucht, in dieser Produktion zu viele davon aufzugreifen. Doch ich spüre den Großmut und die echte Freude am Geben. Wir, das Publikum, müssen arbeiten, damit die Show beginnen und enden kann. Unser Lohn sind Freude und Vergnügen, Spaß und Gemeinschaftssinn. Jemanden schätzen, so erinnert uns Akin liebevoll, ist mühsam. Doch es ist die Mühe wert.
Übersetzung aus dem Englischen: Lilian Astrid Geese
“Asian/LOVE” von Makisig Akin (Regie/Choreografie/Performance: Makisig Akin. Performance/Musik: Inky Lee. Wissenschaftliche Mitarbeit: Ryuta Iwashita) wurde am 3. February 2023 im DOCK 11 uraufgeführt.