„Arriving on Set“, Nadja Raszewski © TanzTangente

In die Fremde

In Nadja Raszewskis “Arriving on Set” bewegt sich das Publikum der TanzTangente auf unbekanntem Terrain

Wie fühlt es sich an, fremd zu sein? Wie begegnen sich unbekannte Menschen an einem neuen Ort? Werden sie Freunde oder bleiben sie Fremde? Dem sonst so freien Ort der TanzTangente haftet Schwere an. Ein schwarz-weißes Absperrband begrenzt den breiten Innenhof, im Haus der Tanztangente versperrt ein dicker schwarzer Stoff den Weg nach vorne. Der einzige Weg führt in einen kleinen Raum, der mit einem Poster mit schwarz-weiß-Portraits von Menschen verschiedener Herkunft ausgelegt ist. Eines von ihnen sticht heraus: Es ist das Foto des amerikanischen Regisseurs David Lynch, der von Salzburg nach Paris und danach Athen zog, um letztlich nach Amerika zurückzukehren, weil er sein Land vermisste. Er hatte es nicht geschafft, sich auf unbekanntem Terrain heimisch zu fühlen. Das ist schlau gewählt, denn Lynchs Reise in die Heimat werden wahrscheinlich einige der Besucher kennen. Welche Geschichten die anderen Gesichter wohl erzählen würden?

Die Performancebesucher*innen durchqueren den Raum und laufen über die schwarzweißen Portraits, eine Kamera filmt ihre Schuhe und Beine. Im Anschluss setzen sich in einem anderen Zimmer vor eine Leinwand, die das Gefilmte zeigt: ihre kleinen oder großen Schritte, ihren bedächtigen oder hastigen Gang, und wie sie versuchen, nur auf den Linien zu laufen, welche die einzelnen Portraitfotos voneinander trennen. Bald werden wir ein weiteres Mal abgeholt und weiter geht die Reise, vorbei an schwarz-weißen Tierfell- und Stofffetzen und einem Menschen im ebenfalls schwarz-weißen Ganzkörperanzug, der in einen winzigen Toilettenraum gesperrt ist. Ein Absperrband versperrt ihm oder ihr den Weg zur Freiheit.

Musikalisch setzt Nadja Raszewskis surrealistische Tanzproduktion über fünf Performer*innen mit ganz unterschiedlichen Wurzeln auf eine wilde Mischung aus Pop aus aller Welt. Besonders der Beginn des Bühnenstückes ist beindruckend. Raszewski lässt ihre schwarzgekleideten Performer*innen mit dem Rücken zum Publikum tanzen. Auf dem Hinterkopf tragen sie silberne Masken. Nach und nach legen alle fünf ihre Masken ab und zeigen ihre Gesichter. Wie das Publikum tauschen auch die Performer*innen im Laufe des Stückes Positionen. Sunia Asbach sitzt auf einem Stuhl und beobachtet die Fremden (Nima Sené, Michael Mejeh, Camilla Przystawski, Darko Radosvljev). Sie hat als einzige den Blick zum Publikum gerichtet. Am Ende des Stückes wird sie die Fremde sein, die als einzige nicht schwarz gekleidet ist. Der Wechsel wird von Sené eingeleitet. Sené wendet sich dem Publikum zu und zitiert ein Gedicht über Fremde: “I belong to the lost not the found”, “Girl, boy, nude is your birthday suit”. Ein paar Minuten später tanzt Asbach ein Solo im beigen Ganzkörperanzug. Die restlichen Performer*Innen schleichen sich auf die Bühne und blicken von oben auf die nun liegende Asbach, als wäre sie ein unbekanntes Tier. Radosvljev hebt sie an den Füßen hoch und lässt sie langsam wieder nach unten gleiten.

In einer anderen Szene laufen Mejeh und Asbach zügig und mit großen Schritten aufeinander zu. In der Mitte stoßen sie fast zusammen. Eine kraftvolle Szene!

Nadja Raszewski setzt sich in “Arriving on Set” mit dem Thema Ankunft und Fremde auseinander. Die Szenen sind schnell, wild und akrobatisch. Verorten kann man die Szenen nicht, Raszewski vertritt den Ansatz des Weltbürgers. Jeder ist schließlich irgendwo fremd und das verdeutlicht sie mit ihrer Performance sehr gut.