Mit „M.O.N.D.“ tauchen Felix Mathias Ott, Dmitry Paranyushkin und Diego Agulló bei den Open Spaces der Tanzfabrik in eine parallele (Spiele-)Welt ab – nicht tief genug
Jede Aufführung ein Forschungsbeitrag, jede Kooperation ein Kollektiv: Drunter geht es offenbar nicht mehr. Auch Felix Mathias Ott, Dmitry Paranyushkin und Diego Agulló bezeichnen ihre Performance mit dem eingängigen Titel-Akronym „M.O.N.D.“ (Meditation on Non Destruction) als einen kollektiven „Forschungsprozess über Konflikte und parallele Realitäten“, auf der Basis von Überlebenskampftechniken. Exerziert wird dieser Prozess als Trainingseinheit in einem Game-Setting zwischen Ego-Shooter-Optik, Agentenfilm und Michael Schanzes Kinderfernsehquiz „1, 2 oder 3“. Hochgefahren wird das „M.O.N.D.“-Spiel mit einer lichtdurchzuckten Bühne und der auditiven Entsprechung eines Fortschrittsbalkens: „Loading“ heißt es mehrfach, bevor die Performance mit einem LED-Counter von 07:00 Minuten das „Unit 1“ startet. Drei martialisch in schwarz-neongelben Aerobic-Stretch gekleidete Performer*innen lassen zum Aufwärmen die Gelenke kreisen, greifen sich dann einen Baumarktkoffer – und schrauben eine Paintball Gun zusammen. Lichtflackern, bestätigendes Schnarrgeräusch. Unit 1: Complete.
Der Timer-gestützten Task-Dramaturgie folgt das performative Trainingsspiel noch drei weitere Male: Aus dem Vertrautmachen mit der Waffe im meditativen Lotussitz besteht Unit 2, in 3 üben die „Agents“ Dmitry Paranyushkin, Emily Ranford und Bahar Temiz das Zielschießen auf einen watteanzuggepolsterten Statisten. Angeblich erfolgreich meistern sie die aus dem Off angesagten Oberschenkel-Schüsse bis zum tödlichen Projektil gen Herz, obwohl es einer Probandin in Unit 1 nicht gelang, ihre Druckluftflasche zu montieren. Aber weiter geht’s in der vorab festgelegten Erzählung. Als Task Force dürfen die Drei in Unit 4 ein imaginäres Gebäude stürmen, einander in via Licht-Rechteck markierten Räumen absichernd oder per pantomimischem Tritt eine Tür öffnend. Irgendwann hat das Trio einen Hänger: Wieder und wieder wird Ranford Opfer einer Maschinengewehrsalve, und als die vorgegebene Zeit für das Unit abgelaufen ist, brüllt sie ihren Trainingspartner Paranyushkin an, er habe sie im Stich gelassen und das Spiel versaut.
Während die drei Figuren derart dramatisch auf die Beziehungsebene abbiegen, frage ich mich, ob auch die Performance zu Neuem aufbricht oder nun endlich die Forschungsfrage erörtert wird. Bis dahin habe ich eine fast realistisch nachgestellte Game-Session gesehen, die mit ein paar Showeffekten zur Bühnenperformance getrimmt wurde. Erwartungen enttäuscht: In der Szene, die dem Streit folgt, vollziehen die Drei mit Datenbrillen die eben ausgeführte Drillsequenz markierend nach – aber eine choreografische Meditation auf das Material findet dabei nicht statt. Es handelt sich lediglich um eine clevere Variation, denn die Agent*innen nehmen innerhalb des narrativen Konstrukts eine Abzweigung, einen „alternativen Pfad“, wie die Off-Stimme verkündet, um doch noch ihr Unit zu absolvieren. Einer plotgesteuerten Dramaturgie folgend, eskaliert nun der Partner-Konflikt: Aus dem Stimmengewirr, das wir Zuschauer*innen nurmehr über den Sound aus den Datenbrillen wahrnehmen (so indirekt, wie wir das wiederholte Geschehen aus den markierenden Bewegungen des Trainingstrios auf der dämmerlichtigen Bühne ableiten), tönt auf einmal ein Schuss. Die Männerstimme atmet schwer und schwerer. Ein zweiter Schuss, und nun ringt hörbar auch eine der Frauenstimmen um Luft. Beim Zählstand 02:24 – Japsen. Auf der LED-Anzeige breitet sich schwarz-weißes Rauschen aus, als verlöschten mit der Lebenszeit auch die Ziffern. Game over.
Bei mir: Geduld erschöpft. Mein Eindruck bleibt, dass hier nicht Forschung betrieben wird, sondern Tanz in ein simples (Nach-)Erzählungskonstrukt gepresst wird. Daran ändert auch das Angebot einer weiteren Lesart von Nahkampftechniken im kürzeren zweiten Teil der Performance nichts. Weniger auf die tanzähnlich gekonnten Moves in einem Spiele-Trainings-Szenario abstellend als auf die Nähe in der Kampfsituation, üben die Drei in Zeitlupe ihre Abwehrhaltungen. Im Aufeinanderlosgehen bleibt anfänglich offen, ob hier Profis ihre Reflexe schulen oder einander zum Kuss in die Arme fallen wollen. In der einstündigen Performance ist das die einzige Sequenz, in der Mehrdeutigkeit aufscheint. Und das ist meines Erachtens das grundlegende Problem dieser „Meditation on Non Destruction“: Die Versuchsanordnung ist allzu eindimensional. So steht nicht nur die martialische Ästhetik für sich selbst, sondern auch das Countdown-Schema. 00:00. Mission failed.