Das Revolver Dance Theatre setzt sich in „Eternal Return“ mit der ewigen Rückkehr zum eigenen Ursprung auseinander
Verstörende Bilder für die Bindung von Mutter und Kind, den Kampf um die eigene Unabhängigkeit und die Suche nach mütterlichem Schutz kreieren fünf Performer*innen in wechselnden Rollen. „Eternal Return“, die zweite Produktion des Revolver Dance Theatre, beginnt nicht wie ein Tanz- sondern wie ein Theaterstück: An einem großen Tisch sitzen Edith Buttingsrud Pederson, Risa Kojima, Sarah Maria Cook und Roberta Ricci. Eine links, eine rechts, die anderen beiden wenden sich am langen Ende des Tisches dem Publikum zu. Das Licht, das eben noch die idyllische Familienszene anstrahlte, konzentriert sich plötzlich auf Davide Troiani (Lichtdesign: Emese Csornai). Abseits vom Geschehen, dick in eine Bettdecke eingeschnürt und mit schwarzem Motorradhelm steht er am linken Bühnenrand. Er ist nicht Teil der Familienszene.
Troianis Auftauchen wirft Fragen auf: Wen stellt er dar? Wie lässt er sich in die Szene einordnen? Und vor was will er sich beschützen? Er dreht sich mit weit ausgestreckten Armen. Dann kehrt der Lichtkegel wieder zurück zur Familienszene, Troiani verschwindet im Dunkeln und geht von der Bühne. Sein geisterhafter Auftritt brachte Unruhe in die Familienidylle, es ist beruhigend, dass der Fokus wieder auf dem langen Tisch liegt. Dort, wo eben noch friedlich gespeist wurde, knöpfen sich Edith Buttingsrud Pederson und Roberta Ricci ihr Hemd auf. Jede hält das untere Ende ihres Hemdes fest, streckt die Arme mitsamt Hemd in die Luft und verschränkt die Arme vor der Brust, so dass das übergestülpte Hemd wie ein Kopftuch aussieht.
Choreograf João Cidade erzählt die Geschichte vom Aufwachsen und Abnabeln von der Familie. Er beschreibt sein autobiographisches Stück als „Ode an das Muttersein“: Die Rolle des Vaters ist nicht erkennbar. Klares Zentrum der Performance ist die Mutter (Sarah Maria Cook). Er inszeniert sie amazonenhaft (es passt gut, dass Cooks Kopf rasiert ist). Ob es nur ein Zufall ist, dass es der Mann sein wird, der als einziger an ihrer Brust saugen wird – liegend, auf ihrem Schoß oder über ihrer Schulter hängend ? Ein Mann, der von vier Frauen dominiert wird und seine Stärke in ihnen sucht?
Später wird Troiani von Cooks Schoß auf den Tisch kriechen. Die vier Frauen umschließen den Tänzer beschützend. Dann heben sie den Tisch an allen vier Beinen hoch und kippen ihn so, dass Troiani herunterfällt. Sie stellen den Tisch wieder hin, der Kindmann legt sich in Fötusstellung auf den Tisch. Immer und immer wieder kippen sie den Tänzer vom Tisch. Er wird sich letztendlich mehr und mehr von dem Familienmöbel lösen, mit ausgestreckter Hand aber selbst bei großer Entfernung seine enge Verbindung symbolisieren.
Und die Frauen? Die wirken freier. Sie springen hoch, sie fallen, sie schieben sich immer weiter weg, allerdings den eigenen mahnenden Zeigefinger stets im Blick; er drückt sie ständig nieder. Die Frauen werden aneinander festhalten, sich wieder lösen und wieder aneinander festhalten. Alle sind miteinander verbunden. Nach und nach erweitert der Zirkel seinen Bewegungsradius. Jeder – auch die Mutter – wird sich auf seine eigene Art und Weise früher oder später freikämpfen.
Auch klanglich findet eine Entwicklung statt: Klang der Sound (Michael Bennetsen and Andrew Lafkas) anfangs wie das Einstimmen von Geigen in einem Orchester, wird er immer elektronischer und komplexer. Ein herzschlagähnliches Pochen unterstützt die düsteren Klänge. Oder ist es kein Herzschlag, sondern ein tickender Zeiger einer Uhr? Jedes Ticken wie ein Schlag in Richtung Erwachsenwerden?
In einprägsamen Bildern erschaffen João Cidade und das Revolver Dance Theatre eine Welt, in der Freiheit vom eigenen Ursprung erst erkämpft werden muss. Egal, ob Mutter oder Kind, sie alle spüren die Bindung zum anderen, ziehen einander an und stoßen sich wieder ab. „Eternal Return“ ist kraftvolles und bilderreiches Tanztheater, das zwar bewegt, aber manchmal auch nur um sich selbst kreist.