„TRASHedy“, Performing Group © Purple Festival / Roberto Duarte

Ein Meer an Müll

Aufklärerisches Bewegungstheater ist der zum Purple Festival eingeladene Dauerbrenner „TRASHedy“ der Performing Group

Wasser, aus dem Leben ward: Mit kleinen Gesten lässt sich auch das Größte darstellen. Die zwei Jungs in roten Hosen und weißem T-Shirt fassen sich an der Hand, und wenn sie ihre Arme in Wellenbewegungen mal hoch und runter, mal vor und zurück bewegen, taucht sehr schnell das Bild des Ozeans vor dem inneren Auge auf. Spätestens wenn fischiges Wriggeln und spinniges Krabbeln zu erkennen sind, zwei Hände eine Krabbe oder einen Vogel formen, wird klar, was Constantin Hochkeppel und Daniel Mathéus zu Beginn der choreografischen Performance „TRASHedy“ vorführen: Evolution im gestischen Schnelldurchlauf.

Mensch ist in dieser Kurzversion ein recht roher Mix aus Kultur und Natur: tanzt ein paar Takte Cancan und verwandelt sich mit einem Grunzen zurück in einen Affen. Kein Wunder, dass die „Krone der Schöpfung“ hier ein Pappenheimer ist, denn kaum ist die Evolution bewältigt, beginnt der Homo consumens mit der Vermüllung seines Lebensraumes. Immer neue Pappbecher bekommt Constantin Hochkeppel hinterm Rücken von seinem Kollegen gereicht, trinkt, wirft, trinkt und wirft, bis der Bühnenboden rot-weiß gescheckt ist. Auch auf der Projektion im Hintergrund – schwarze Linien auf weißem Laken – türmen sich die Becher, bis der friedliche Urozean, mit dem das Evolutionszapping hinterlegt war, ebenso im Müllmeer versinkt wie die Bühne.

Didaktisch und doch unterhaltsam vermittelt die Performing Group mit „TRASHedy“ das komplexe Thema Umweltzerstörung. Premiere hatte das in Zusammenarbeit mit den Tänzer*innen entstandene Stück des Folkwang-Absolventen Leandro Kees schon 2012, seither tourt es von Festival zu Festival. Canan Erek hat es jetzt noch einmal zum Purple Festival für junge Zuschauer*innen eingeladen – schon 2015 war „TRASHedy“bei Augenblick mal! in Berlin zu sehen.

Ein Erfolgsfaktor ist sicherlich die Lehrplan-Eignung der Performance. In einer Mixtur aus direkter Ansprache, Körpereinsatz und spielerisch-infografischen Animationen werden dem jugendlichen Publikum Zusammenhänge nahe gebracht. Herstellungskosten und -prozesse etwa analysiert ein „Apparat“ – ein projiziertes Rechteck, in das die Performer Konsumgüter wie ein Handy oder eine Jeans legen, indem sie diese schattenspielerisch hinter der Leinwand in das Rechteck einpassen. Die Komponenten in einem Handy etwa stammen aus aller Welt, mehrfach umrunden Transportwegepfeile den gezeichneten Globus. Für ein paar Pappbecher werden in anderen Ländern Fabriken gebaut und Urwälder gerodet.

Geld beherrscht die Welt: Nicht nur bei Wahlen stimmen wir ab, erklären die Performer in einem demokratietheoretischen Exkurs – vor allem mit unserem Portemonnaie entscheiden wir, wer die Macht bekommt. Was also tun, um die Welt vor unserem Müll zu retten? Demonstrieren! Mit Elan recken Hochkeppel und Mathéus Zettel in die Höhe, die bedruckt sind mit Parolen wie Freiheit, Friede, Empathie. Offenbar ohne Erfolg. Eine neue Strategie: Missionieren. Äpfel essen, nicht mehr Fleisch! Schon sollen die Zuschauer*innen ein angebissenes Exemplar kosten und weiterreichen. Funktioniert auch nicht. Ist Kapitulation die Lösung? „Save the Planet“, verkündet Hochkeppels T-Shirt; Mathéus’ Oberteil kontert mit einem fatalistischen „Kill Your Self“.

Aus der Sackgasse der Hilflosigkeit manövriert der Regisseur seine Crew samt jugendlichem Publikum mit einer metatheatralen Szene: Die beiden Performer sprechen einen wohl während der Proben aufgezeichneten Dialog nach, in dem sich die Macher fragen, ob sie eigentlich wüssten, was sie da tun. Nein, nicht wirklich, so die Antwort, aller Recherche zum Trotz: Das Thema ist unübersichtlich. Aber handeln müssen wir – das Ergebnis der Evolution ist bedroht. Wie man mit der Verantwortung für den eigenen ökologischen Fußabdruck umgeht, ist allerdings eine ganz persönliche Entscheidung, so die Botschaft. Diese undogmatische Offenheit dürfte ein weiteres Erfolgsmerkmal der Performance sein: Mit „TRASHedy“ gelingt es der Performing Group, hinreichend unverbindlich aufzurütteln.