Angekündigt als „Versammlungsformat, das zeitgenössische Fragen des Tanzes praxisbasiert und gemeinschaftlich angehen wird“, berichtet eine aus der Berliner Tanzszene nach Dresden Angereiste vom 5. bis 10. Juni vom Tanzkongress 2019, der unter der künstlerischen Leitung von Meg Stuart im Festspielhaus HELLERAU stattfindet.
Tag Eins – Auftakt: Versammlung. Sind alle da?
Veröffentlicht am 5. Juni 2019
Es ist heiß in Dresden, der staubige Vorplatz des Festspielhauses in HELLERAU schlägt einem die Hitze des Frühsommers von unten ins Gesicht und doch erfüllt mich eine Ruhe neben der Aufregung vor dem, was mich in den nächsten Tagen erwartet, als ich auf das Gebäude zugehe. Das erste Bild des Tanzkongresses: Viele junge Leute und vor allem bekannte Gesichter. Hinter dem Haus wird der Tanzkongress 2019 eröffnet, dem ein Wagnis zugrunde liegt. Erstmals kuratiert eine Künstlerin – und keine unbekannte – den Kongress, genauer Meg Stuart.
Der Kongress beginnt mit einer Ansprache der Intendantin Carena Schlewitt und schon wird klar: Dresden ist bunt und international, zumindest temporär, Amtssprache ist in den nächsten Tagen Englisch. Meg Stuart stellt ihr Team vor und es ist ersichtlich: Noch immer bleiben die ungefähr 500 Teilnehmer*innen des Kongresses im Unklaren darüber, was hier in den nächsten Tagen stattfinden wird, außer: „We will wash dishes.“ – Jubel aus dem Publikum. Es folgt eine pragmatische Einteilung in Kleingruppen, der Ursprung von Community Building. Leider war in meinem Welcome-Package keine Karte, ich kann mir meine Gruppe selbst aussuchen und entscheide mich für die Vergessenen, die die nicht hier sein können.
Noch vor dem Kongress gab es nicht nur euphorische Neugierde, es wurden auch kritische Stimmen laut. Innerhalb weniger Stunden waren die begehrten Plätze ausgebucht, jede*r konnte sich anmelden. Die Transparenz der Akkreditierung wurde ebenso angeprangert wie die Tatsache, dass die Möglichkeit nicht bestand, nur einzelne Tage am Kongress teilzunehmen. Auch das Programm wurde erst kurz vor knapp veröffentlicht. Das ist natürlich gerade für Freiberufler*innen und beispielsweise Interessierte von kleineren Spielstätten nicht zu bewältigen.
In den Gruppen wird klar: Es braucht Ordnung und Struktur, um eine temporäre Gemeinschaft zu organisieren. Wir werden aufgefordert zwei Gruppenführerinnen zu wählen und beginnen den Kongress gemeinsam mit einem Ritual für diejenigen, die nicht hier sind oder nicht hier sein können. Unterschiedliche solcher Gemeinschaftsrituale werden vollzogen, ein Duft von Räucherstäbchen weht durch den interkulturellen Garten hinter dem Festspielhaus. Weiter geht es mit einem gemeinsamen Eintanzen im großen Saal, ich verpasse den Anfang und treffe einen Schwarm von mehreren Hundert Menschen an – unter ihnen Meg Stuart persönlich – der in kreisenden Bewegungen durch den Raum mäandriert. Das macht die Künstlerin Meg wirklich, sie nimmt die Teilnehmenden des Kongresses an die Hand, führt sie durch den Raum, man kann nicht umhin, als sich von dieser Sogwirkung mitreißen lassen.
Auch ich habe meinen intensiven Moment. Eine junge Frau steht vor mir, sie sieht fiebrig aus und fragt mich, ob ich meinen Küchendienst morgen mit ihr tauschen kann, da sie sich gerne einen Tag erholen möchte. Als ich ihr sage, dass sie sich doch krankmelden soll und ich auf das Verständnis aus dem Organisationsteam hoffe, drückt sie ihre Dankbarkeit in einer warmen Umarmung aus, ein Moment der Gemeinschaft über gegenseitiges Verständnis – schön.
Der Schwarm ebbt irgendwann ab, neben dem Haus am Essenswagen wird gegessen, getrunken, gelacht. Die Stimmung ist ausgelassen, es ist ein großes Klassentreffen, was hier gerade seinen Auftakt feiert. Ich gehe hinter das Festspielhaus, die Mondsichel steht über den Bäumen und mich überkommt das Gefühl, dass dieser Ort hier eine solche Strahlkraft hat, dass es sich immer wieder lohnt, an ihn zurückzukommen.
Tag Zwei – May I kindly ask you to enjoy the silence?
Veröffentlicht am 6. Juni 2019
Um 8.30 Uhr heißt es: Antreten zum Küchendienst, oder Food-Prep, wie man auf dem Tanzkongress zu sagen pflegt. Schweigend zerkleinert meine Gruppe Unmengen an Gemüse. „This is so meditating“ kommentiert ein Gruppenmitglied. Nach kurzer Zeit des Schweigens, das vermutlich der frühen Uhrzeit geschuldet ist, kommen wir tatsächlich ins Gespräch. Über die Tanzszene, über Visa und über Gemüsehobel.
Nach dem Dienst an der Gemeinschaft gehe ich zu Franziska Dietrichs Seminar zu Trauma/Somatic Experiencing. Wir wollen hier mit uns selbst und nicht mit Anderen in Kontakt treten. Schade eigentlich, leben wir doch, so ihre Aussage, in einer traumatisierten Gesellschaft. Tatsächlich ist das Seminar aber mit vielen dichten Impulsen und Informationen über traumatische Erfahrungen aus therapeutischer Perspektive ein guter Einstieg in den Kongress. Warum ein Fotograf zwischendrin hereinkommt und die Gruppe ablichtet, ist mir unklar – es gibt Grenzen, das habe ich aus dieser Session mitgenommen. Ich lasse mich ein bisschen treiben, sehe hier und da Gruppen im Garten sitzen, sanfte Musik kommt aus einigen Räumen. Während des Mittagessens kommen die Vergessenen wieder zusammen. Die Aufgabe der Gruppenführerin ist es, unser Essen an den verabredeten Ort zu bringen. Ein Gefühl des Miteinanders stellt sich ein; auch als ich mir von Doreen eine Tasse leihen kann. Wer seine vergessen hat, ist hier oben auf dem Hügel von der Koffeinversorgung abgeschnitten. Glück gehabt.
Und dann ändert sich das Wetter. Ein Sturm zieht auf, die Feuerwehr ruft auf, sofort in den Großen Saal zu gehen. Florentina Holzinger, Btissame Amadour und Marija Malenicas Workshop „Energieaufbau und Widerstandstraining mit Kampfsport. Was ist heute die Herausforderung?“ spare ich aus, schaue aber zu, wie ca. 25 Anfang 20-Jährige mit Boxhandschuhen ausgestattet ganz schön ins Schwitzen kommen, die mir später nochmal begegnen werden. Im Dachstudio im Verwaltungsgebäude laufe ich auf dem Weg zu Anna Nowickas „Dreaming Reality“ an einem Heilungsritual vorbei, es hat zu regnen angefangen. Jeder, der einen Traum hat, also sich an einen erinnert, ist hier willkommen. Ich liege auf dem Boden und denke an Tom Waits: „The earth died screaming while I lay dreaming…”. Nach einer Tasse (schon wieder geliehen) Kaffee und einem weichen, mit Erdnussbutter gefüllten Irgendwas gehe ich zu Navtej Johars „Crafting Poetic Ambiance“ und durch ein Missverständnis in der Koordination treffen Kampfsport und Körperpoesie aufeinander. Die Kampfsportlerinnen sind immer noch am Schwitzen und das ganz schön laut. „Now think about where you initiate the movement. Are you lifting your arm or” – „Eins zwei drei vier eins zwei drei “ – „Focus on your…“ Für ihn ist es auch eine neue Erfahrung und unter den Teilnehmerinnen stellt sich die Gewissheit ein, dass somatische Techniken auch in einem Setting ausgeübt werden können, das nicht leise ist. Diese Reibung macht es doch auch spannend, oder? Ich lasse mich wieder ein bisschen treiben, komme hier und da ins Gespräch. Im Foyer hat jemand ein Schild aufgehängt, auf dem „Where is the Dance“ steht, am Infopoint hängt eine weitere Aktion: „Antifascist Meditation“ mit Keith Hennessy und Marc Kate. Noch einmal kurz in den Großen Saal schauen oder heimgehen? Kurz den Kopf in den Großen Saal gesteckt, sehe ich ein Schild mit dem Score einer „Contemplative Dance Practice“, die beginnt mit 20-minütigem Stillsitzen. Das Schweigen dröhnt mir in den Ohren, ich fahre vom Hellerauer Hügel in die laute Stadt zurück.
Tanzkongress 2019 – A Long Lasting Affair, Festspielhaus HELLERAU/Dresden.
Tag Drei – Gemeinsam am Tisch. Wir haben ein dringendes Anliegen.
Veröffentlicht am 7. Juni 2019
„Table Time“ im Großen Saal. Die Statements der Anwesenden sollen hier für sich sprechen, weswegen sie unkommentiert stehen gelassen werden. Es sind Antworten auf die Frage, welches dringliche Anliegen die Teilnehmer*innen auf den Kongress geführt hat. Menschen, die in der Vorbereitung der Veranstaltung in sogenannten Salons zusammengekommen sind und diskutiert haben. Diskussionen selbst werden im Großen Saal nicht in dem Maß stattfinden, wie man es auf einer solchen Zusammenkunft erwartet, auf der so viel Internationalität und so viele Positionen vertreten sind. Der Versuch der Moderatorin, mit „Come on, play this game with me” zu intervenieren, scheitert. Wer sich an bzw. kurze Zeit später auf diesem Tisch befindet, möchte keine Spiele mehr spielen:
Goethe-Institut
„Mein Herz schlägt für den Tanz. Ich möchte Ausgrenzung überwinden.“
Berlin
„Ich möchte mich mit meiner privilegierten Situation auseinandersetzen.“
Bogotá
„Ich möchte mehr über kollektive Arbeitsprozesse lernen.“
Berlin
„Ich beschäftige mich mit Choreografie und Protest. Wie kann man gegen Faschismus aktiv werden?“
Barcelona
„Ich versuche, im Moment zu leben.“
Senegal
„Ich interessiere mich für die Rolle der Frau in Tanz und Choreografie und wie unterrepräsentiert das weibliche Geschlecht ist.“
Deutschland
„Ich bin im Künstlercoaching tätig. Mich interessieren Fragen des Raumes in Choreografien.“
Delhi
„Ich frage mich, wie man kontextbezogene Kunst machen kann.“
Chennai
„Ich möchte den Diskurs über den Körper in den Körper zurückbringen.“
New Delhi
„Ich beschäftige mich mit Materialität, mit Komfort und dem Abwesenden.“
Burkina Faso
„Wie können wir die Menschlichkeit bewahren? Wie können wir die Rechte von Kindern schützen?“
(Aufgrund von lautem Geräuschpegel von einem Workshop nebenan leider nicht verstanden)
„Wie können wir die Emanzipation von Frauen in afrikanischen Ländern voranbringen? Wie kann Tanz zu Bildung beitragen?“
Kalifornien
„Wie sind Ritual und Widerstand verknüpft? Ich interessiere mich für queeres Embodiment.“
Hamburg
„Ich bin Rhythmikerin und interessiere mich für die Verbindung von Musik und Tanz.“
Amsterdam
„Gibt es einen weiblichen Blick im Tanz?“
Helsinki
„Ich träume von der Dekolonialisierung. Wo sind die POC-Künstler*innen in Deutschland?“
Finnland
„Ich interessiere mich für existenzielle Risiken.“
Madrid
„Wie können wir kreativ mit unseren Ressourcen umgehen?“
Berlin
„Mein Anliegen ist sowohl Tanzgeschichte und –theorie, aber auch die Frage von Synchronisierung. Wo und wann beginnt Tanz?“
Bern
„Ich möchte, dass all diese Menschen und Köpfe eine gemeinsame Performance machen.“
Berlin
„Mein Thema ist der Zusammenhang des Körpers und der Stimme.“
München/Berlin
„I want to f*** up opera.”
Australien/Berlin
„Ich möchte einen Raum schaffen, in dem ich mich ausdrücken kann.“
Stockholm
„Ich interessiere mich für Trauer und den praktischen Austausch.“
Baskenland
„Machtverhältnisse in der Kunst.“
Berlin
„Orte zum Träumen. Utopien.“
Chile/Brüssel
„Tanz als soziale Praktik denken.“
Südspanien
„Internationale Residenzen und der Zugang zu Körperwissen.“
Tag Vier – „Down by the Water“ – Die Community bleibt unter sich.
Veröffentlicht am 8. Juni 2019
Der für das Publikum geöffnete Samstag beginnt mit einem weiteren kollektiven Tanzritual im Großen Saal. „Totentanz/Sketch for a Parade” von Maria F. Scaroni und Vladimir Miller zur Musik von Marc Lohr und Mieko Suzuki. Trommeln, im Kreis tanzende Menschen. Es sind Anklänge an die exotisierenden Motive der Tanzmoderne, die sich hier reproduzieren – an denen man sich reiben kann und muss.
Öffentliches Programm am 8. Juni 2019. Gemeinsames Ritual
„Totentanz/Sketch for a Parade” mit Besucher*innen im Festspielhaus HELLERAU.
In verschiedenen Walks, organisiert vom Tanznetz Dresden, spazieren Gruppen durch die Stadt. Im Silent Wigman Walk führt die in Dresden und Berlin tätige Anna Till eine schweigende Gruppe an Wirkstätten der Tänzerin Mary Wigman. Das Publikumsprogramm selbst findet auf dem Salonschiff „Gräfin Cosel“ nahe der Carolabrücke statt und hier zeigt sich: Die mittlerweile eingeschworene Community des Tanzkongresses bleibt unter sich, kaum neue Gesichter sind am Anleger oder auf dem Schiff zu finden. Pflanzen sind der thematische Schwerpunkt des Tages. Schon im Vorfeld wurden Dresdner*innen aufgefordert, Pflanzen für den Tanzkongress zu stiften, die frei nach dem Motto „tanzen und (zu) pflanzen“ (aus dem Programmheft) unsere Abhängigkeit von dem Ökosystem, in dem wir leben problematisieren. „Dancing and Planting“, ein Gespräch von Jared Gradinger und Shannon Cooney thematisiert, wie wir als Menschen die Erde verschmutzt haben und nun unsere Liebe zurückgeben müssen. Angesicht der bedrohlichen Architektur der Sächsischen Staatskanzlei auf der anderen Seite der Elbe keimt in mir der Gedanke auf, ob die Liebe der hier Versammelten ausreichen wird. Mit schlechtem Gewissen hoffe ich, dass meine Zimmerpflanzen in Berlin die derzeitige Dürrephase überstehen. Die Interviews im Programmheft zu „Down by the Water“ geben mehr Aufschluss über die Hintergründe der Veranstaltung. Hier spricht Jan Theurich, als Gartenbauingenieur u.a. für den Kulturgarten in HELLERAU verantwortlich, Firmen wie Bayer/Monsanto an und Charles Washington schlägt die metaphorische Brücke zum Tanz: Das Becken fallen Lassen und in den Boden Drücken und sich als Pflanze oder Baum in den Himmel Strecken.
“Down by the Water” – Künstlerische Interventionen auf dem Dampfschiff „Gräfin Cosel“, Elbufer Dresden.
Auf der „Gräfin Cosel“ dann erlebe ich mein persönliches Tageshighlight. Keith Hennessy performt gemeinsam mit Dresdner Tänzer*innen – namentlich Cindy Hammer, Christian Novopavlowski und Charles Washington – einen anderen „Totentanz“. Drei Schritte vor – Kick – Step – Cross – Step. In simplen Schritten zu 80er Discopop kommt der Grove auf: Disco-Dance. Aber hier geht es nicht um das bloße Erlernen von Popchoreografien. Keith erklärt, dass er in den 80er Jahren in der Disco-Dance-Szene aktiv war. Mitte der 90er dann waren viele seiner Mittänzer nicht mehr da, die Aidskrise hatte in voller Wucht ihre grausamen Auswirkungen gezeigt. Und dann tanzen sie gemeinsam mit dem Publikum die erlernte Choreografie nochmal und es zeigt sich in diesem kleinen Schlaglicht der letzten Tage, dass tanzende Körper Geschichte(n) schreiben.
Letzter Tag – Abschied: Was bleibt?
Veröffentlicht am 30. Juni 2019
Die Party im Technoclub objekt klein a muss gut gewesen sein, zumindest wirkt das Festspielhaus am Sonntagvormittag ziemlich ausgestorben. In einem Raum wird „Nitrate Kisses“ gezeigt, ein experimenteller Dokumentarfilm über die heimliche Existenz der LGBTI*-Szene in den USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
In verschiedenen Räumen finden die sogenannten „Conventions“ statt – Abschlussrunden, in denen der Kongress reflektiert wird. Ich entscheide mich für das Thema „Love and Activism“. Angekommen erklärt der Leiter, warum er diese Runde anleitet: „Someone thought there should be a panel on love and I would be the right person to do that.“ Transparenz und Offenheit wird in dieser Runde ein großes Thema sein. Etwa 60 Kongressteilnehmer*innen haben sich im Probestudio unter dem Dach eingefunden und gemeinsam wird über den Kongress reflektiert. Was uns gefehlt hat, wie wir manche Momente wahrgenommen haben und was wir uns vielleicht gewünscht hätten. Klar wird, dass, obwohl unterschiedliche Motivationen die Teilnehmenden auf den Tanzkongress geführt haben, doch ähnliche Kritikpunkte an der Veranstaltung zum einheitsstiftenden Moment werden. Im Anschluss finden sich die ca. 350 verbliebenen Tanzkongressbesucher*innen zum Abschlussplenum im Großen Saal ein. Eine gewisse Müdigkeit hat sich unter den Versammelten breitgemacht. Jede Gruppe der Abschluss-Conventions hat eine kleine Präsentation vorbereitet. Aus „Love and Activism“ wurde eine mehrsprachige Zähl- und Klatschperformance, die in ihrer Langatmigkeit nicht unbedingt aufrüttelt. Und dann treten vier Personen auf die Bühne, die die Organisator*innen des Kongresses direkt konfrontieren werden:
Gerda König, Choreografin und Künstlerische Leitung der DIN A 13 Tanzcompany, die Tanzdramaturgin Anna Mülter und die in New York/Berlin lebende Künstlerin Perel sowie Noa Winter, Theaterwissenschaftlerin aus Mainz. Sie verlesen einen offenen Brief, in dem sie unter dem Titel „Who isn’t here“ den Ausschluss von Künstler*innen mit Behinderung sowie die unzureichende Barrierefreiheit der Veranstaltung anprangern. Nachzulesen hier: Who isn’t here? Ein Brief an den Tanzkongress.
Aus dem Publikum folgt Zustimmung und lauter Applaus, Meg Stuart selbst äußert sich zu den Vorwürfen. Alle Anwesenden bezeugen, wie sie scheinbar genervt erklärt, dass Künstler*innen mit Behinderung eingeladen waren und abgesagt haben, dass eine Gruppe von Künstler*innen mit Lernbehinderung vor Ort war. Es folgt eine kurze und unangenehme Stille, gefolgt von der direkten Antwort, dass das bei einer Veranstaltung dieser Größe keine ausreichende Erklärung ist. Dass mehr hätte getan werden können.
Und so endet der Tanzkongress 2019 für mich. Auf die Präsentationen der anderen Gruppen verzichte ich, stehe noch kurz im Garten und komme mit ein paar Leuten ins Gespräch darüber, was wir von diesem Kongress mitnehmen – und das sind vor allem Fragen: Haben wir uns nicht genug auf das Format eingelassen? Waren wir zu voreingenommen? Welche Formate wären besser geeignet für den nächsten Tanzkongress? Und auch ein paar Wochen später habe ich noch keine Antworten, ertappe aber meine Gedanken in stillen Kreisen um den Kongress. Der Titel „A Long Lasting Affair“ wurde also eingelöst. Aber muss man lange Affären nicht irgendwann beenden oder etwas Ernstes daraus machen?