Terminal Beach, Moritz Ostruschnjak ©Franziska Strauss

Festivaleröffnung in Freiburg

Rachel Oidtmann (Autorin / Tänzerin) und Kathleen Heil (Tanzjournalistin) schreiben im Wechsel in ihrer Muttersprache englisch und deutsch über die Tanzplattform Deutschland 2024.

2024 – die Tanzplattform Deutschland feiert in Freiburg ihr 30-jähriges Jubiläum. Da reicht nicht eine Eröffnung, da wird gleich zweimal eröffnet.

Den Auftakt macht ein Gespräch mit den Initiator*innen, welche die Plattform 1994 ins Leben gerufen haben, sowie Adriana Almeida Pees, der künstlerischen Leiterin und Kuratorin für Tanz am Theater Freiburg, die die treibende Kraft dafür war, dass die diesjährige Ausgabe des Formats in Freiburg stattfindet. Unterbaut wird das Gespräch von der Installation „Tanz erzählt: Tanzplattform Deutschland – Die ersten Jahre“, in der via Video weitere Künstler*innen der frühen Jahre des Festivals zu Wort kommen (bis Sonntag zu sehen von 16.00 – 21.00 Uhr im Steinfoyer des Theaters Freiburg). Die Stimmung ist entspannt, auch als eine kurze Irritation entsteht, weil dem Vorschlag, das Gespräch statt auf Deutsch auf Englisch zu führen, nicht nachgegeben wird. Einer der Initiatoren macht es wett, indem er nach dem Gespräch sein gerade erhaltenes Schokoladen-Präsent ins Publikum weiter reicht – zur Stärkung der angestrengten Sprach-Nerven. Es ist spürbar, dass man sich freut, zusammen zu kommen, sich auszutauschen und den zeitgenössischen Tanz in Deutschland zu feiern. Und das ist auch genau, was Almeida Pees im Sinn hatte. Ihr zufolge müssen die Spätfolgen der Corona-Pandemie auch im Tanz noch überwunden werden. Nicht zuletzt deswegen setzt die Jury in diesem Jahr auf eine besonders physische Auswahl. Die Nähe der unterschiedlichen Veranstaltungsorte soll nicht nur symbolisch genutzt werden, um näher zusammen zu rücken und zwischen den Veranstaltungen umso mehr Zeit für Gespräche und Austausch zu haben. Als Festival-Hub dient der historische Peterhofkeller auf dem Campus der Uni Freiburg gleich gegenüber dem Stadttheater.

Dass ein Stadttheater die Tanzplattform ausrichtet, ist bisher einmalig in der Geschichte des Festivals. Das eigentliche Manko der Freiburger Tanzsparte, die schon seit zehn Jahren kein eigenes Ensemble mehr behaust, wird im Zuge der Tanzplattform zum Vorteil erhoben. Denn genau durch diesen Status, so Almeida Pees, arbeite die Sparte ganz ähnlich wie freie Produktionshäuser mit Gastspielbetrieb, Ko-Produktionen und Residenzprogrammen. Dass die Zusammenarbeit zwischen Freier Szene und Stadttheater für das Ausrichten einer solchen Plattform gerade in einer Stadt wie Freiburg, fernab der großen Kulturzentren Deutschlands, viele Vorteile haben kann, scheint schon alleine hinsichtlich der Menge an vorhandenen Bühnen einleuchtend. Es bleibt zu hoffen, dass die Freie Szene vor Ort dabei nicht gänzlich hinter den übermächtigen Strukturen des Stadttheaters verschwindet.

Bei der offiziellen Festivaleröffnung am Abend ist allen Rednern gemein, dass der verbindende und Grenzen-überwindende Charakter von Tanz, die Offenheit der Szene und die Universalität der Tanz-Sprache hinsichtlich so ziemlich aller Herausforderungen unserer Zeit als großes gesellschaftliches Bedürfnis, als dringende Notwendigkeit empfunden wird. Im Großen Haus kann auch OB Martin Horn der Bühne nicht widerstehen, zieht inmitten seiner Begrüßungsrede ein portables Mikro hervor und beschreitet die Fläche, als er mit Hinweis auf Freiburgs ukrainische Partnerstadt Lwiw an das Publikum appelliert, sich nicht an Leid zu gewöhnen.

Danach wird die Bühne, gewissermaßen als dritter Akt der Eröffnung, den Künstler*innen überlassen. Und Moritz Ostruschnjaks Performer*innen nehmen sich in „Terminal Beach“ so viel davon wie nur irgend möglich. Jeglicher Vorhänge und Gassen entkleidet präsentiert sich die Bühne als schwarzer Kasten, den die (nur) sechs Tänzer*innen vom ersten Moment an voll im Griff haben. Es ist sehr viel, was hier zusammengepackt wird: Viel Raum, viel laut, viel Musik der unterschiedlichsten Genres, viel (Sinn-entfremdete) Symbolik und – natürlich – auch viel Bewegung. Die Bilder überzeugen mit ihren lässigen, ineinanderfließenden Kompositionen. Sie wirken von der schwarzen Tiefe des Raums bis ins Detail ganz vorne am Bühnenrand. Getragen werden sie von den Performer*innen, die einzeln ebenso wie in der Gruppe ihre Stärke beweisen. Sie kommen mal rau, mal poetisch daher, dabei immer auf den Punkt. Warum gerade das Image des Cowboys als Stellvertreter wohlbekannter Verhaltensmuster gewählt wurde, erschließt sich nicht zwingend. Aber Spaß macht es beim Zuschauen auf jeden Fall.

Die Tanzplattform 2024 ist eröffnet!


Im Rahmen von tanzschreiber@TPD24, einer Kooperation zwischen dem Tanzbüro Berlin und den Veranstalter*innen der Tanzplattform Deutschland 2024 (Tanzsparte des Theater Freiburg), begleiteten Rachel Oidtmann (Autorin / Tänzerin) und Kathleen Heil (Tanzjournalistin) das Festival schreibend. Die Tanzplattform Deutschland 2024 fand vom 21.-25. Februar 2024 in Freiburg statt.