„Oiseau“, La Cage ©Yanina Aisla

Stille Brüche, Rüschen und ein Balzruf

Oiseau“, eine Produktion der Berlin-Pariser Company La Cage unter der Regie von Aliénor Dauchez verschreibt sich der exakten Erkundung der Bewegung von Vögeln. Pettifer sah sie am 26. Februar 2023 im Kultur Büro Elisabeth in Berlin-Mitte.

Es gibt Performances, die sich durchaus wirksam dem aktuellen Thema Ökologie und Umwelt widmen, die sich mit der Naivität der menschlichen Positionierung in dieser Hinsicht auseinandersetzen und dennoch nicht vorgeben, über wissenschaftliche Kenntnis der Natur zu verfügen. Diese Performances schreiben die Tradition der aufmerksamen Beobachtung fort und geben sich einer nahezu mathematischen Abstraktion hin, die Teil der Kunst sind, seit diese als Praxis identifiziert wird.

„Oiseau“ versteht sich als Inszenierung, die „über unsere Spezies-spezifische Wahrnehmung hinausreicht“. Und doch findet sich im Stück ein gnadenlos erfrischendes menschliches Element. Der Theatersaal der St. Elisabeth-Kirche verwandelt sich für die Dauer von zwei Stunden in eine stimmungsvolle Voliere, in der Jessica Gadani, Josefine Mühle und Antoine Sarrazin ihre Studienobjekte – Vögel – intim imitieren. Die drei Tanzenden spielen mit Variationen und Kommunikationen im Raum, vielleicht bewusst zeitlich in Koinzidenz mit der untergehenden Sonne geplant, deren natürliches Licht durch die Spitzbogenfenster fällt und oft tatsächlich die einzige Lichtquelle darstellt. Im ersten Teil der Vorstellung sind die Stille und Langsamkeit der Vogelbeobachtung genau das, was die Zuschauenden erleben. Derweil winden, zucken, drehen und strecken sich die Tanzenden im Raum, hier und da ein Lied beginnend oder sich auf eine Absperrung setzend, und es entwickelt sich eine ganz besondere Bewegungssprache, die die Kommunikation der von ihnen studierten Objekte reflektiert.

Nach dieser ruhigen Ouvertüre schleicht sich Michael Rauters Soundtrack in einen Vangelis-tischen Synthesizer, und die Performance verwandelt sich subtil in eine bizarre Modenschau, während die ‚Vögel‘ aus dem Backstage-Bereich hervorkommen und knapp 20 Minuten Bühnenzeit im Publikum flanierend verbringen. Aufs Stichwort erscheinen Tüll-Kopfschmuck, Stocknasen und Paradiesvogel-Paarungstänze in schwarz-blauer Kombination (Kostüme: Miriam Marto und Aliénor Dauchez). Aufs Stichwort legt sich eine seltsam informative Erzählung über den Soundtrack: „They come to these arid desert plains to give a breath-taking performance. This is not a competition: it’s a show.“ [„Sie kommen in diese karge Wüstenebene mit ihrer atemberaubenden Performance. Das ist kein Wettbewerb. Es ist eine Show.“]

„Oiseau“ birgt etwas fundamental Ehrliches in seiner Mimikry, wie die Erzählung mit Blick auf das Verhalten der Vögel hervorhebt: „Imitieren ist mehr als Kopieren.“ Das Publikum wird nie direkt angesprochen (außer, wenn eines der vielen Kinder im Publikum interveniert). Und so entsteht eine Aura wunderbarer wundersamer Aufmerksamkeit. Wo andere Performances in Stille und Schweigen verflachen, setzt sich Oiseau in seinem ruhigen Engagement für die Schaffung einer eigenen Atmosphäre, verbunden mit den ehrlichen und detailgenauen Betrachtungen, von anderen ab. In der Arbeit mit schlichter Variation, Beobachtung und der Praxis des Zuhörens generiert die Koproduktion eine profunde, traumähnliche Erfahrung. Wir treiben fast meditierend durch die Zeit, fern von jedem Bedürfnis, uns laut zu manifestieren. Dies ist nicht explizit eine Kindervorstellung, und doch ist es faszinierend, zu sehen, wie ein junges Publikum vom Bildschirm weg und in eine intensive Form der Selbstbeobachtung gelockt wird. Für die Erwachsenen gilt das gleichermaßen.

Übersetzung aus dem Englischen: Lilian Astrid Geese


“Oiseau” von La Cage (Konzept und Regie: Aliénor Dauchez – Performance: Jessica Gadani, Josefine Mühle und Antoine Sarrazin – Komposition: Michael Rauter – Dramaturgie: Jette Büchsenschütz – Bühne und Kostüm: Miriam Marto und Aliénor Dauchez) wurde vom 24. bis 26. Februar 2023 im Kultur Büro Elisabeth in der St. Elisabeth-Kirche in Berlin-Mitte uraufgeführt.