A Night’s Game, Alleyne Dance ©Lidia Crisafulli

Sicher bei dir

A Night’s Game, eine Choreografie und Performance der von den Zwillingen Kristina und Sadé Alleyne gegründeten britischen Compagnie Alleyne Dance, feierte am 23. und 24. Juli 2024 im Rahmen von b12 im DOCK 11 Premiere.

Mehr Fragen als Antworten – denke ich, als ich dieses Stück sehe. Doch brauche ich Antworten? Mein Gefühl sagt Nein. Und so schaue mir einfach die virtuosen Bewegungen der beiden Tänzerinnen an und genieße die Sicherheit, mit der zwei starke Frauen eine physische und emotionale Bindung miteinander eingehen.

A Night’s Game handele von der ‚Aufruhr und Zerrissenheit menschlicher Emotionen, wenn man mit der Aussicht auf eine Inhaftierung konfrontiert wird’, heißt es im Programmheft. Das Stück erkunde eine ‚Reise des Geistes, während der Gedanke an den Verlust der Freiheit jeden wachen Moment verschlingt‘.

Ich erkenne Metaphern der Gefangenschaft: In einem rechteckigen Lichtrahmen auf der Bühnenmitte sind die Tänzerinnen eingesperrt. Ich höre den Klang sich öffnender und schließender Stahltüren. Zwei Tanzende mit weit geöffneten Armen in einem grell-hellen Lichtkegel: Eine Szene, die an das bekannte Standfoto aus Die Verurteilten erinnert.

Die Beziehung der Performerinnen bleibt immer wieder vage. Gleichwohl spüre ich die gegenseitige Bestätigung, die ihre Begegnung schafft. Als sei die Ursache der Angst die Abwesenheit der anderen, während  in dem Moment, in dem beide präsent sind, ein Gefühl von Sicherheit erstrahlt. Sie halten während der ganzen Performance Blickkontakt, sie nicken und lächeln einander zu.  Sie teilen Gewichte, heben und vereinen sie. Selbst da, wo sie sich gegenseitig kraftvoll wegstoßen, vermittelt ihre Interaktion eine beruhigende Zärtlichkeit. Sie manifestieren gegenseitige Fürsorge. Sie achten aufeinander: Wenn eine in einem rechteckigen Lichtrahmen fällt, bringt die andere Wasser.  Ihre Dynamik erinnert mich an selten erlebte Komplizenschaft, wenn dir dein:e Partner:in des Augenblicks verspielt und Vertrauen vermittelnd Rückhalt und Stütze ist.

Mir gefallen die muskulären Körper der Performerinnen, der Schweiß, der auf ihrer Haut glänzt. Die Wärme, die ihre feuchte Haut ausstrahlt, kann ich geradezu fühlen. Mit Vergnügen sehe ich die Unterschiedlichkeit ihrer Körper, ihrer Bewegung und Energie, ihrer Mimik, selbst, wenn sie sich im Einklang bewegen und trotz der Tatsache, dass sie Zwillinge sind. Sie performen diese Produktion fast durchgängig in einem irren Tempo, das in manchen Momenten nahezu monoton wirkt, und ich bin von der scheinbar unermüdlichen explosiven Körperlichkeit beeindruckt, den das Duo ausstrahlt. In einer ständig wiederkehrenden Szene lehnen sie sich aneinander, Stirn an Stirn, und halten sich dabei an den Händen. Ein zartes, sanftes Bild vermittelt sich mir. Die Vorstellung, dass ihr ganz eigenes Atmen in dieser großen Nähe nur füreinander hörbar ist, kitzelt meine Ohren.

Die Performance endet, das Publikum applaudiert. Mit geschlossenen Augen nehmen sich die Schwestern eine Weile in den Arm. Dann legt die eine ihre Hand auf den sich deutlich wölbenden Bauch der anderen und prüft, ob es dem Baby gut geht. ‚Sie lieben sich‘, denke ich, und ein Gefühl von Wärme durchströmt meine Brust.

Übersetzung aus dem Englischen: Lilian Astrid Geese


A Night’s Game der britischen Compagnie Alleyne Dance feierte am 23. und 24. Juli 2024 im Rahmen von b12 im DOCK 11 Premiere.