„Die sieben Todsünden – Wollust“, Choreografie: Saskia Assohoto ©Christian Ditsch

Die sieben Todsünden: Abschlussperformance Der ETAGE

Nach einem Schuljahr, das von der Online-Lehre charakterisiert war, und der anschließenden langsamen und vorsichtigen Rückkehr zu neuen Live-Unterrichtsformaten, fühlt es sich wie ein Luxus an, etwas auf der Bühne zu präsentieren. Die Abteilung Zeitgenössischer Tanz der ETAGE zeigt ihre Abschlussperformance „SIEBEN“ vom 10.-20. September 2020 im Theaterforum Kreuzberg.

Erfahrung auf der Bühne gehört zur Ausbildung jeder Tänzerin und jedes Tänzers. Dabei versteht man auch (selbst), ob jemand für die Bühne gemacht ist oder ob man lieber als Choreograf*in – oder in einer anderen Rolle – arbeiten will.[1] Sie soll einen Rahmen bieten, in dem die Tänzer*innen scheinen können, aber es sollte auch immer noch ein geschützter Rahmen sein. Die dreiteilige Abschlussperformance der ETAGE – Schule für die darstellenden und bildenden Künste bietet das. Bei „SIEBEN“ sind nicht nur die Absolvent*innen – nach dreijähriger Ausbildung in der Abteilung für Zeitgenössischen Tanz – auf der Bühne, sondern die Aufführung ist eine kalibrierte Abwechslung zwischen kurzen Etüden ohne Musik (choreografiert von Erol Alexandrov) für die Student*innen des ersten Jahres, Abschlussarbeiten und Stücken von Dozent*innen und Gast-Choreograf*innen, in denen alle Jahrgänge involviert sind. 

Als erstes zeigen die sieben Absolvent*innen ihre eigenen Choreografien, die sie im August kreiert und geprobt haben. Besonders witzig und gelungen sind die Gruppenstücke: Nadine Haas’ „AM RANDE DER UTOPIE” ist eine Mischung aus Sharon Eyal, mit hämmernder Musik und kurzen, synchronisch minimalen Gruppensequenzen, und Hofesh Shechters erdigen, gebückten Bewegungen mit starken Lichtkontrasten. Formal sehr gelungen, hat es auch eine inhaltliche Tiefe mit offener Kritik an Trumps frauenfeindlichen Äußerungen. Formal und visuell naheliegend ist Jeanne Binets „Unveiled Waters“. Hier steht die Abwechslung verschiedener Bewegungsqualitäten im Fokus, zwischen synchronen und kanonischen Bewegungen. Sehr interessant ist auch Karlotta Franks humorvolles „inter.view” mit witzigen, zweideutigen Dialogen über scheinbar banale Lebensfragen und selbst komponierter Musik. Starke Bühnenpräsenz haben auch die vier Solokünstler*innen gezeigt: Fenia Papagiannopoulou, Tim Vandenbroeck und Gesine Eggers mit intimen, reflektierten, manchmal selbstironischen ,Dialogen’ und Milena Sundari Nowak mit ihren urban-dance-beeinflussten Bewegungen.

Im zweiten und dritten Teil des Abends waren zeitgenössische Überarbeitungen und Impressionen der sieben Todsünden zu sehen, zwischen den Szenen gab es kurze Etüden der Erstjährigen, die ein sehr gutes somatisches Feingefühl gezeigt haben. Besonders humorvoll fand ich Christian Schwaans „Hochmut – Ein Tag in Saint-Tropez” auf Beethovens Klaviersonate Nr. 14, in dem die Student*innen im Badeanzug die Vielfalt eines bekannten Strandreviers in Slow-Motion nachahmen. Alles in allem war es eine gute Mischung aus Stücken, die Interpretationsstärke gebraucht haben und anderen, wie Saskia Assohotos „Etüde Modern – Kanon”, die die technischen Fähigkeiten der Studierenden zur Geltung gebracht haben. Hervorzuheben sind auch „Habgier”, zwischen Tanz und Performancekunst, der Gast-Choreografin Alica Mina und die live Rockmusik von Bláthín Eckhardt für Assohotos „Zorn”.

„SIEBEN“ ist vom 10. bis 20. September 2020 im Theaterforum Kreuzberg zu sehen. Die Vorstellung ist drei Stunden lang.


[1] z.B. der weltberühmte Choreograf Alexander Ekman hat schnell bemerkt, er sei nicht für die Bühne geeignet, wie man aus diesem selbstironischen Stück, komponiert für das Bolschoi-Theater, erfährt: https://www.youtube.com/watch?v=PCOFvxjm4V0&t=252s.


Ticketreservierungen für die Abschlussperformance Zeitgenössischer Tanz der ETAGE – Schule der darstellenden und bildenden Künste sind nur online möglich, unter: https://www.tfk-berlin.de/.