Rachel Oidtmann (Autorin / Tänzerin) und Kathleen Heil (Tanzjournalistin) schreiben im Wechsel in ihrer Muttersprache englisch und deutsch über die Tanzplattform Deutschland 2024.
Der letzte Festivaltag wird am Vorabend bei der „Party Unique“ eingeläutet. In den Räumen der M.A.K Studios mischen sich Veranstalter*innen und Festivalteilnehmer*innen, Performer*innen und Publikum miteinander. Bei kurzen und angenehm unprätentiösen Pop-up Performances zeigen sich Künstler*innen aus der freien Tanzszene mit ganz unterschiedlichen Stilen. Sie tauchen auf, teilen ein Stück von sich und ihrer Kunst und verschwinden dann wieder in der Menge. Begleitet wird das Geschehen von Live-DJs. Man kann sich gewissermaßen treiben lassen, zuschauen oder mitmachen, verausgaben oder entspannen. Unterbrochen wird dieser Flow einzig von den anhaltend langen Schlangen an der Bar. Aber auch das birgt letztlich eine gewisse Entschleunigung.
Am Sonntagvormittag finden Gesprächsrunden über den Tanzjournalismus in Deutschland und der Schweiz sowie über Praktiken von Kuration statt. Nach der „Meet the Jury“-Veranstaltung wird das Festival zum Ausklang noch einmal ganz den Performer*innen überlassen und fünf der zehn ausgewählten Stücke werden ein weiteres Mal gezeigt.
©Rachel Oidtmann
Die Aufführung Wetland im Freiburger E-WERK reiht sich ein in die von starker Körperlichkeit geprägten Stücke der Auswahl. Die Tänzer*innen betreten in Slips und Sneakers die Bühne. Das Stück beginnt mit einer Präsentation guter Laune. Die Tänzer*innen lächeln, positionieren sich in bejahenden, selbstzufriedenen Haltungen und wechseln dabei immer wieder zwischen einem aufeinander und einem ins Publikum gerichteten Fokus. Hinsichtlich der Bewegungen wird hier auf bekanntes Material mit zum Teil gymnastischen Elementen zurückgegriffen. Dann ein harter Schnitt. Stille. Die Blicke richten sich ins Publikum. Danach geht es dunkler weiter, mit zunächst düsterer, treibender Musik. Die Bewegungen sind nun sprunghaft, abgehakt, taumelnd. Die Performer*innen tauchen mit kleinen Solo-Momenten als Individuen auf. Nach etwa der Hälfte des Stücks kommt es zu einem langen Kuss – es ist der Moment, an dem der von vermutlich allen im Publikum erwartete Regen einsetzt. Sofort kühlt sich der Raum spürbar ab, während die Küssenden sich zuerst gegeneinander lehnen und ihre Körper voneinander wegschieben, bevor sie schließlich ineinander fallen, um sich zu umarmen. Nach einer Zeitlupen-Sequenz, in der die Performer*innen auf unterschiedliche Weise über den Boden rollen, beginnen sie mit langen, mühelos wirkenden Slides. Der Effekt ist groß, weil sie auf dem nassen Boden deutlich mehr Strecke zurücklegen, als ihre Bewegungen vermuten lassen. Das Wasser, das sie dabei mit ihren Körpern vor sich herschieben, bringt eine zusätzliche Bewegungs- und Soundebene mit sich. Die Rutschpartie wird gesteigert zu einer regelrechten Rutsch-Party, und das Publikum feiert mit. Dass es jede Menge Spaß macht, im Wetland unterwegs zu sein, scheint offensichtlich. Trotzdem sind beim Verlassen des Theaters zweierlei Stimmen zu hören: Diejenigen, die die pure Körperlichkeit, Queerness und Bewegungsfreude feiern, und diejenigen, die sich mehr Dramaturgie und choreografische Entwicklung gewünscht hätten.
In Matters of Rhythm stellen Choreografin Rita Mazza und Lichtchoreografin Hanna Kritten Tangsoo die Frage „Was ist visueller Sound?“. Das Stück ist inspiriert durch gebärdensprachliche Rhythmen und wird etwas abseits vom Festivalrummel in der besonderen Atmosphäre des Theaters im Marienbad gezeigt. Es sind hier keine lauten, dominanten Rhythmen, wie sie einem bei dieser Plattform sonst sehr viel begegnen. Es sind im Gegenteil sehr feine, überwiegend visuelle Strukturen, deren Rhythmik Rita Mazza herausarbeitet. Wenn sie ihre Hände um eine Glühbirne legt, sie immer wieder ein Stück weit öffnet und schließt, erklingt das Geräusch der Finger fast wie ein Trommelwirbel im Raum, in dem ansonsten vornehmlich Mazzas Atmung zu hören ist. Die Zwischenräume ihrer Finger erstrahlen dabei als Lichtschlitze. Später entsteht eine schwingende Rhythmik, als die Glühbirne an einem langen Kabel durch den Raum kreist. Dann wieder sind es die Schatten von Mazzas Körper, welche den Rhythmus kreieren, als sie ihn mit zwei Lampen aus wechselnden Richtungen ableuchtet. Nach dem Stück wird gleich doppelt applaudiert: Mit klatschenden und mit drehenden Händen in der Luft.
Damit endet die Tanzplattform 2024 auch für mich. Den Stimmungen nach, die ich in den vergangenen Tagen eingefangen habe, hat sich Freiburg als Veranstaltungsort bewährt. Vor allem die kurzen Wege und das durchweg freundliche Veranstaltungs-Team haben überzeugt. Jetzt gilt es, den Tanz wieder von der großen Plattform weg in alle Ecken des Landes zu tragen. Dance On!
Im Rahmen von tanzschreiber@TPD24, einer Kooperation zwischen dem Tanzbüro Berlin und den Veranstalter*innen der Tanzplattform Deutschland 2024 (Tanzsparte des Theater Freiburg), begleiteten Rachel Oidtmann (Autorin / Tänzerin) und Kathleen Heil (Tanzjournalistin) das Festival schreibend. Die Tanzplattform Deutschland 2024 fand vom 21.-25. Februar 2024 in Freiburg statt.