On Stage, eine Performance von Maria Hassabi unter der künstlerischen Leitung von Stavros Gasparatos und der Autorin selbst, feierte am 25. und 26. April 2025 im Radialsystem Deutschlandpremiere.
In einem Interview zu ihrer 2017 präsentierten Produktion STAGING sagte Maria Hassabi, dass sie für ihre Stücke vom Publikum die Aufmerksamkeit erwarte, die nicht als Live-Performance präsentierte Kunst generell genießt: „Die Leute kommen zu ihr, sie ist einfach da.“ Die Betonung auf eine genre-unabhängigen Rezeption bot sich an, denn wie schon bei anderen Produktionen in der Vergangenheit zeigte sie die Performance STAGING in einer Galerie. Im Unterschied dazu inszeniert Hassabi On Stage auf der Bühne eines Theaters. Gleichwohl in ihrem typischen Stil mit minimalen, sehr langsam vollzogenen Bewegungen. Will sie uns zu einer anderen Art Aufmerksamkeit motivieren? Wünscht sie sich mehr Fokus, mehr Konzentration, jetzt, da wir im großen, fast bis auf den letzten Platz besetzten Auditorium des Radialsystems sitzen?
Die Künstlerin steht mittig vorn auf der Bühne, ihre schwarzen Haare zum Pferdeschwanz gebunden. Sie trägt ein blaues T-Shirt, (Blue) Jeans und blaue Sneakers. Sie steht im Scheinwerferkegel. Was auch immer sich um sie herum befindet, liegt im Dunkeln. Hassabis Bewegungen sind kalt und schwer. Sie vollführt sie frontal. Sie verlässt ihren Platz vor uns nicht. Der Soundtrack läuft in Endlosschleife: Wind, Vogelzwitschern, unverständliches Gewisper in sich ständig ändernder Lautstärke und Klangfarbe. Gelegentlich erkennen wir neue Sounds. Zu STAGING erläuterte Hassabi einst, dass der wichtigste Moment im Stück erreicht sei, wenn das Publikum das Tempo so drosseln könne, dass sich alle auf den eigenen Atem konzentrieren, und dabei den anderen in die Augen schauen. Nun sitze ich hier, hochkonzentriert im Raum, jedoch ohne die Augen eines oder einer anderen gegenüber. Was verfolgt die Künstlerin mit diesem Werk? Was ist ihre Intention? Starren wir Hassabi an, weil sie selbst Kunst ist? Vielleicht performt nicht nur Hassabi, sondern wir alle folgen einem nicht ausgesprochenen Agreement?
Ich schweife ab.
Mein Fokus schwindet.
Mein Blick wandert.
Ich schaue weiter.
Ich falle in eine Traumlandschaft.*
Wo bin ich?
Der Wind weht kreiselnd, Vogelgesang in der Ferne… Ich höre den Wind, stehe im Wind, doch mein Körper spürt ihn nicht. Es ist dunkel, sehr dunkel. Mein Körper bewegt sich. Kennt er den Weg? Langsam durchquert er die Dunkelheit. Bleibt stehen. Mehr Licht fällt auf meine Haut. Ich spüre es, doch sehe ich nichts. Die Helligkeit blendet mich. Dann empfinde ich ihren Blick. Sie beobachten mich. Ich sehe sie nicht, doch ich weiß es. Wer sind sie? Wer bin ich? Wie sehe ich aus?Schwarzes Haar zum Pferdeschwanz gebunden. Schwarze Brauen.
Hörte ich diese Antwort? Oder schoss mir der Gedanke in den Kopf? Ich weiß es nicht. Mein Körper bewegt sich. Langsam. Muskeln, angespannt, halten mich in unbequemer Stellung. Mein Körper bewegt mich, doch ich spüre jedes Moment der Anstrengung. Ein Muskel, rechts an meiner Brust, krampft. Mein Shirt bebt leicht in seinem Tonus. Mein linker Daumen zittert. Ich fühle mein Stirnrunzeln zwischen meinen Augenbrauen. Mein Körper bebt, ich kann die Bewegung nicht stoppen. Warum nur? Warum?
Blue Jeans. Blaues Shirt. Blaue Sneakers.
Wieder höre ich die Stimme in meinem Kopf. Dieses Mal erreichte mich der Laut definitiv nicht durch mein Ohr. Ich erkenne sie. Die Stimme. Mir bricht Schweiß aus.
Es wird heller. Zuvor spürte ich die Lichtstrahlen nur auf meinem Körper. Jetzt fühle ich sie um mich herum. Dennoch sehe ich die Zuschauenden nicht. Vorn ist es dunkel, und das Licht scheint in meine Augen. Ich fühle mich exponiert im grellen Lichtschein. Dann kommt mir ein Gedanke.
So allein, stehe ich, allein, in einem großen, hellen Raum.
Klänge dringen ein. Zunächst distant und ruhig, dann näherkommend, lauter werdend, bis viele Stimmen – Stimmen der gleichen Person – in meinem Kopf schreien.
Schwarzer Pferdeschwanz! Schwarze Augenbrauen!
Blue Jeans! Blaues Shirt! Blaue Sneakers!Instinktiv möchte ich mir die Ohren zuhalten, auch wenn es mich nicht vor den Stimmen schützt, die direkt in meinen Kopf drängen. Doch ich kann nicht. Die Arme gekreuzt vor dem Körper. Es geht nicht. Das Licht scheint von vorn und wird heller. Endlich. Doch plötzlich packt mich die Angst, die Zuschauenden zu sehen, bis…
Jetzt sehe ich sie. Sie starren mich an. Hunderte von Maria Hassabis in blauen Shirts, Blue Jeans, blauen Sneakers und schwarzem Pferdeschwanz.
Übersetzung aus dem Englischen: Lilian Astrid Geese
On Stage feierte am 25. und 26. April 2025 im Radialsystem Deutschlandpremiere.
