A Year without Summer, Florentina Holzinger ©Nicole Marianna Wytyczak

Über sich selbst lachen

A Year without Summer, Choreografie und Regie von Florentina Holzinger, hatte am 21. Mai 2025 in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz Premiere. Ein nacktes, rein cis-weibliches Ensemble – wie immer bei Holzinger – präsentierte vielfältige und zuweilen viszerale Talente.

Die Vorstellung hat noch nicht begonnen, und ich frage den Menschen neben mir, wie lange sie dauern soll.

„Zwei Stunden“, lautet die Antwort.
„Das ist mir ein bisschen viel“, sage ich.
„Es wird aber gut“, wird mir entgegnet.
„Das will ich hoffen“, bemerke ich und wende mich ab.

A Year without Summer ist reich an ausgefallenen Szenen, eine zarte Orgie, ein Luft-Pole-Dance und mehr. Über die Bühne huschende Darstellerinnen, laute Musik (überwiegend live), Stunts, extravagante Requisiten, Stimulation, Sinnlichkeit, Sarkasmus. Mir ist nicht durchgängig klar, was der rote Faden des Stücks ist, wenn es diesen denn gibt. Hat es ein Thema, das sich durch die Horrorgeschichten zieht, die die Menschheit sich selbst antut?

In einer Szene singt Achan Malonda, dass sie ihren rassistischen Therapeuten liebt, weil er ihr die Pillen verschreibt, die sie braucht. Das Publikum lacht fröhlich, als sie den bekannten Song „These are a few of my favorite things“ aus The Sound of Music umdichtet und das Wort „things“ durch „pills“ ersetzt. Und fröhlich geht es weiter: Malondas Lied von der Sucht endet damit, dass einige Performerinnen im Chor musikalisch warnen: „Use may be fatal“ – „Vorsicht. Gebrauch kann tödlich sein.“

Später gibt Malonda den französischen Biologen Georges Cuvier, der sich mit dem Sezieren und Konservieren von Körperteilen der „Hottentotten-Venus“ Sarah Baartman einen Namen machte. Ich fühle mich unwohl als Zeugin einer Schwarzen Künstlerin, die abfällig über Schwarze Menschen spricht, mit dramatischen Gesten ihre eigene Vagina aus dem Körper schneidet und sie in ein Glasgefäß legt, denn ich muss so sehen und hören, wie sie ihrer eigenen Community Gewalt antut. Mein Unbehagen steigert sich noch, als das – überwiegend weiße – Publikum immer noch lacht.

Holzingers Inszenierung thematisiert Depression, Angst vor dem Alter und zahlreiche andere moderne Tragödien. Sie zeigt extreme Wege, auf denen Menschen versuchen, sich ihrer Bedrängnis zu stellen. Das Publikum im Saal applaudiert und nimmt das Geschehen auf der Bühne mit Humor. Lachen die Zuschauenden über sich selbst?

Die Schlussszene dauert an, während wir den Saal verlassen. Eine einsame Figur läuft auf einem hohen Podest Schlittschuh, quasi als Leuchtfeuer der Schönheit: Ein junges, weißes Wesen mit kurzen, blonden Haaren, schlank, sportlich, durchtrainiert, tanzt anmutig und elegant. Mir kommen die zahlreichen Szenen der Performance in den Sinn, die den Versuch, sich gegen das Alter(n) zu stemmen und unsterblich zu werden, kommentieren. Ist die Eistänzerin das ultimative Menschsein, auf das wir hoffen sollen? Die Athletin ist großartig, aber ich registriere hier und da kleine, beabsichtigte Fehler. Die Menschheit will „das Unmögliche“, trotz wiederholtem Scheitern, fällt mir dazu ein.

Beim Rausgehen aus dem Theater fällt mein Blick noch einmal auf die geruchlosen künstlichen Exkremente, die auf der Bühne treiben. Vielleicht spiegeln sie das große Chaos, das wir Menschen immer wieder anrichten, oft nur, damit wir es betrachten können, als kurze Atempause angesichts all des Elends, als zartes Licht im Dunkeln. Wann hört es denn auf, „lustig“ zu sein? Ich denke zurück an das kleine Gespräch vorhin, kurz bevor die Show begann. Was war wohl mit „gut“ gemeint? Was war wohl „gut“ heute Abend? Ist das Exzessive, das Kostenintensive, das Extreme per se „gut“? Oder die Möglichkeit, das selbstgemachte Absurde zu betrachten und darüber zu lachen? Ich gehe nach Hause mit dem Gefühl, ein kreatives Highlight gesehen zu haben, das wirklich lustig sein soll, aber nicht wirklich lustig ist.

Übersetzung aus dem Englischen: Lilian Astrid Geese


A Year without Summer von Florentina Holzinger feierte am 21. Mai 2025 Premiere in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Weitere Vorstellungen finden vom 7.-9. Juni 2025 statt.