On my tongue, Emilie Gregersen ©Vito Walter

Touch me like…

In On my tongue verhandeln Luisa Fernanda Alfonso, Paolo de Venecia Gile, Sigrid Stigsdatter Mathiassen und Emilie Gregersen queere Berührung, Grenzen und Kommunikation. Das in Kopenhagen uraufgeführte Stück spielt 27.-29. März 2025 in den UFER_STUDIOS.

Wir betreten die verrauchte Halle im Heizhaus. Jeweils zwei Darsteller*innen liegen ineinander verschlungen auf dem Boden. Sie streicheln sich gegenseitig. Zärtlich. Trotz der kalten Backsteinmauern und des roten Betonbodens entsteht ein Gefühl von Intimität und Nähe. Gleichzeitig denke ich an das Ende von Partynächten, die Outfits noch an, sich am Körper der anderen Person festhaltend, bis man in den Schlaf fällt. Eine Hand führt die andere. Ein Körper bewegt, schiebt, klemmt den anderen fest. Gebilde aus verschiedenen Körperteilen kriechen durch den Raum. Ich höre leises Flüstern und folge den intensiven Blicken. Zungen schnalzen im Rhythmus der repetitiven Bewegungen der anderen. Streicheln wird zu kneten von Armen, Nacken, Gesicht.

Do you trust me?
Yes.
I mean
For the most part.

Grenzen werden ausgehandelt, verbal und körperlich. Dabei scheint die Kommunikation vorerst ungeschickt. Vielleicht liegt es daran, dass diese Aushandlungsprozesse selten etwas selbstverständliches haben. „This feels familiar.“

Der Wunsch nach Nähe breitet sich aus, noch näher als Haut an Haut, der Wunsch danach das Innere der anderen Person zu erkunden. Mit Augen, Fingern, Mündern. „This feels inappropriate.“

Spannung wird ausgehandelt und ein push-and-pull entsteht. Wie Magnete finden sich die Tänzer*innen zueinander hingezogen, geben eigenes Gewicht in die Hände der anderen, ziehen die andere Person zu sich heran und weichen aus der engen Umklammerung.

This feels like
Feels like…

Langsam, im mehrstimmigen Chor, der mich an gregorianische Mönche erinnert, ertönt Gesang. Das Geschehen bekommt eine rituelle, fast kirchliche Note; ein queeres Gebet, das mich schmunzeln lässt. Das Ritual wächst von uns bis hinten an die Wand und endet in gleich mehreren Orgasmen.

Feels like falling

Mit einer Kaugummi-Qualität lösen sich die einzelnen Darsteller*innen von der Wand und spannende Soli entstehen. Staccato Bewegungen unterbrechen die juciness. Auch die Mimik der Tänzer*innen ist eindrücklich choreografiert und erzählt zusammen mit der Bewegungsqualität von Genuss, Freude, Abstoßung, Anziehung und Faszination. Machen nicht genau diese ineinander fließenden Emotionen Intimität aus?

Die erste unisono Bewegung ist eine bodyroll, die die Tänzer*innen in einem Cluster ausführen. Die Hintergrundmusik ist mittlerweile zu einem eindeutigen Beat gewachsen, roh und kalt wie die Wände. Meine Erinnerung an Partynächte ist zurück. Wir sehen erst nur die Rücken der Performer*innen, mir fehlen ihre ausdrucksstarken Gesichter. Eine Art Paartanz in einer engen Umarmung entwickelt sich, die Richtung wechselhaft durch die unterschiedlichen Impulse der einzelnen Darsteller*innen.

Am Ende finden sich alle gemeinsam auf dem Boden. Zu dritt wird mit den Fingern der Mund der vierten Performer*in erkundet, die Zunge mit den Fingern herausgeholt. Bevor der Mund mit den anderen Mündern erkundet werden kann, ein Blackout.


On my tongue von Emilie Gregersen, Luisa Fernanda Alfonso, Paolo de Venecia Gile und Sigrid Stigsdatter Mathiassen wurde vom 27.-29.03.2025 im Heizhaus in den Uferstudios gezeigt.