K3 – Zentrum für Choreographie in Hamburg lud am 22. März 2025 im Rahmen des Festivals TanzHochDrei vier internationale Kulturschaffende aufs Podium, um sich dazu auszutauschen, wie man mit der Bedrohung von rechts umgehen und welche Möglichkeiten des Schutzes und der Unterstützung es für freie Künstler*innen in Zeiten von Budgetkürzungen und politischer Einflussnahme geben kann.
Text von Katrin Ullmann
Seit Dezember 2024 ist es offiziell: Dank des Hamburger Rekordhaushalts von knapp 44 Milliarden Euro für 2025 und 2026 steigt der Kulturhaushalt 2025 gegenüber 2024 um rund 50 Millionen Euro auf 461 Millionen Euro und 2026 um weitere 13 Millionen Euro auf 474 Millionen Euro. Allein: Hamburgs aktuelle kulturpolitische Fördersituation scheint eine (äußerst fragile) Ausnahme zu sein. Landes- und europaweit stehen massive Kulturkürzungen an der Tagesordnung, Kürzungen, die weit über die Schmerzgrenzen hinaus gehen. Vor allem in (Bundes)Ländern, in denen sich rechtspopulistische Positionen stark machen, wird die Freiheit der Kunst in Frage gestellt, wird der Ruf nach einer konformen Kunst laut, die die nationale Werte und Traditionen stärkt und die kulturelle Identität des Landes. Wie umgehen mit der Bedrohung von rechts? Wie die freien Künstler*innen in Zeiten von Budgetkürzungen und politischer Einflussnahme schützen und unterstützen?
Zu diesen Fragestellungen lud K3 – Zentrum für Choreographie in Hamburg am 22. März 2025 während des Festivals TanzHochDrei vier internationale Kulturschaffende aufs Podium. Moderiert wurde das Gespräch von Kerstin Evert, der künstlerischen Leiterin von K3. Die ursprünglich für die Moderation vorgesehene Tanz- und Theaterwissenschaftlerin Susanne Foellmer konnte aufgrund des Brandes auf dem Flughafen London Heathrow nicht anreisen. Es diskutierten: Suzy Blok, Roberto Casarotto, Emma Elefánti und Martin Stiefermann.
Suzy Blok, Tänzerin, Choreografin und Dramaturgin, leitete u.a. von 2013 bis 2020 das Produktionshaus Dansmakers Amsterdam. 2021 wurde Dansmakers dem International Choreographic Arts Centre (ICK) angeschlossen und Blok zur Leiterin des dortigen Artist Space, wo sie vor allem junge Tanzschaffende fördert. Sie ist Mitbegründerin und Co-Intendantin des Moving Futures Festivals (seit 2013), das ebenfalls der Unterstützung junger Tanzschaffender dient. Roberto Casarotto ist Co-Direktor von „Aerowaves – dance across Europe“, der europäischen Plattform für Tanz, die explizit die Arbeit von Nachwuchstänzer*innen fördert. Im norditalienischen Bassano del Grappa entwickelt Casarotto zudem internationale Projekte, die von den EU-Programmen unterstützt werden und darauf abzielen, künstlerische Forschung und Entwicklung im Tanz zu fördern. Zudem ist er u.a. der Initiator des „Dance Well-Movement research for Parkinson“. Die Ungarin Emma Elefánti arbeitet als Kulturmanagerin und Performancekünstlerin. In beiden Arbeitsfeldern liegt ihr Fokus auf Inklusion und fairen Partnerschaften. Von 2020 bis 2023 war sie zudem als Organisatorin und später im Vorstand von Freeszfe aktiv, einer neu gegründeten, staatlich unabhängigen Bewegung für künstlerische Bildung. Deren Ziel ist es, an der Universität für Theater- und Filmkunst in Budapest (SZFE) einen autonomen künstlerischen Raum zu schaffen. Der Choreograf und Kurator Martin Stiefermann ist u.a. seit 2015 Mitglied von schloss bröllin e.V., seit 2018 Vorstandsmitglied bei „Tanzregion Mecklenburg-Vorpommern e.V.“ und Vertreter im Netzwerk „Tanz weit draußen“. Seit 2022 ist er in der Kerngruppe zum Aufbau der „Tanzinitiative Brandenburg“, seit Frühjahr 2024 im Vorstand des neu gegründeten Vereins „Tanzinitiative-Brandenburg e.V.“ aktiv.
Nach kurzen, so erschütternden wie ernüchternden Einblicken, die die vier Panelist*innen in ihre Arbeitsrealitäten geben, wird es grundsätzlich. Es werden mögliche Strategien formuliert, das Selbstverständnis von Tanz diskutiert und die notwendige Verankerung von Tanz in der Stadtgesellschaft. Nur durch „die tiefe Verankerung der Kultur in der Stadt, die Einbindung von Bürger*innen in die künstlerische Arbeit“, so Casarotto, könne eine Identifikation mit der Kunst entstehen. Im besten Fall würden „die Bürger*innen zu Kulturbotschafter*innen“. Das sei wichtiger als jeder noch so schlau formulierte Förderantrag, konstatiert Casarotto. Nur so könne Tanz seine Daseinsberechtigung unterstreichen, könne auf Solidarität – auch in finanzieller Form – bauen, stimmt Martin Stiefermann ihm zu.
Denn dort wo sie erfolgreich wirksam ist, schaffe die freie Kulturszene eine gesellschaftliche Atmosphäre der Widerständigkeit voller Liberalität, Diversität, Offenheit und Unkontrollierbarkeit. Begriffe, die den „Werten“ rechter Extremist*innen und Populist*innen jeder Art diametral entgegen stehen. Im schlimmsten Fall wandern die Protagonist*innen der Kunst- und Kulturszene ab. Für diese Entwicklung, merkt Elena Elefánti an, steht die Situation in Ungarn als trauriger Vorreiter. Von einem seit der Wiederwahl Viktor Orbáns im Jahr 2010 sich stetig verengenden Weg, von einer Gleichschaltung der Kultur, weiß Elefánti aus nächster Nähe zu berichten, genauso wie von etlichen Künstler*innen, die nach Deutschland und Österreich emigriert sind. Er verhandele, so Martin Stiefermann, grundsätzlich nicht mit AfD-Politiker*innen – die Partei ist bei der Bundestagswahl im März 2025 mit 32,5 Prozent der Zweitstimmen in Brandenburg stärkste Kraft geworden. Was wiederum die potenziellen Zuschauer*innen angeht, müsse man aktiv das Gespräch suchen, sich vernetzen und verbünden. „Unsere Arbeit muss integrativ sein“, unterstreicht Blok diese Aussage. Nur damit könne man dem wiederkehrenden rechtsnationalen Vorwurf „Kunst sei ausschließlich für die Elite“ entgegenwirken.
Wehrhaft gegen politische Einflussnahme bleibe man vor allem durch starke Resilienz, verbindliche Allianzen und nachhaltiges Netzwerken, bilanzieren die vier Panelist*innen ihren Austausch. Wichtig dabei sei nicht nur ein Netzwerken innerhalb der Branche, sondern auch eines, das bewusst nach außen geht, das die Stadtgesellschaft auch in ländlichen Gebieten mit einbezieht und sie an künstlerischen Entstehungsprozessen teilhaben lässt. „Fördergelder sind schließlich öffentliche Gelder, was geben wir mit diesem Geld der Gesellschaft zurück?“, so formuliert es Stiefermann. Als mögliche Finanzierungsmodelle im Angesicht der harten Mittelkürzungen fallen Überlegungen zu Crowdfunding und Unterstützungen durch verschiedene private Förderer und Fonds, an die sich, das geben alle Panelist*innen zu Bedenken, allerdings auch die Frage nach der künstlerischen Unabhängigkeit anschließe.
Noch häufiger als der Begriff des Netzwerkens, fällt an diesem Nachmittag der der Resilienz. Mit „lebensmutiger Haltung“ wird es oft umschrieben. In diesem Kontext lässt es sich vielleicht am besten mit „Mut zur Kunst“ übersetzen. Woher man diesen nehme, woher die Hoffnung komme, fragt Kerstin Evert abschließend in die Runde. Ihr Antrieb ist „die Kunst, der Tanz selbst“, antwortet Suzy Blok, das „flexibel sein und flexibel bleiben“ ist für Emma Elefánti die wichtigste Prämisse in diesen unwägbar schwierigen Zeiten, „das Gemeinsame und die Gemeinschaft“ treibt Roberto Casarotto in seiner Arbeit weiter an, einem Statement, dem sich Martin Stiefermann anschließt mit: „Kämpft und arbeitet gemeinsam –nicht allein!“ Ein Schlusswort wie eine Parole mit schon fast aktivistischem Charakter. Notwendigerweise.
Eine Aufzeichnung des Gesprächs kann hier nachgeschaut werden: RESILIENT INSTITUTIONS auf Vimeo
Diese Veranstaltung war Teil des bundesweiten Vorhabens TanzAllianzen, gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Bundesregierung für Kultur und Medien. Die Projektpartner*innen werden kofinanziert durch die jeweiligen Kommunen und Länder.