In Portrait Performance reflektiert Ashley Temba das Bild, das sich andere von ihm machen und wie ihre Ideen seine Selbstwahrnehmung beeinflussen. Sein Solo feierte am 5. Juli Premiere im Ballhaus Naunynstraße Premiere und war dort bis zum 8. Juli 2025 zu sehen.
Die anderen schauen von außen, ihr Blick bestätigt, was sie zu sehen erwarten. Sie erscheinen als purpurne Silhouetten, projiziert auf den hinteren Vorhang, mit ihrem Urteil, das sich wie ein Schatten über den freien Willen legt. Bemüht, ihren Vermutungen nicht zu entsprechen, hält sich Ashley Temba die Ohren zu. Er wehrt sich, er behauptet sich.
Ein transparenter Stoff umweht den Choreograf und Performer, der mit dem Rücken zu uns in der Ecke vorn auf der Bühne steht. Seine Bewegungen sind graziös, fließend. Sie begleiten den saalerfüllenden Klang plätschernden Wassers, ein Nass, mit dem jemand zu spielen scheint. Plötzlich Dunkelheit. Dann ist Temba zurück, steht mitten auf der Bühne, das Sonnenbild hinter ihm strahlt hell. Warmes, oranges Licht umfängt seinem Auftreten, eine Anmutung kindlicher Neugier. Lächelnd webt er einen unsichtbaren Energiesphäre um seinen Körper. Langsam wird mehr von der Bühne sichtbar, als modelliere er den Raum in sich und um sich.
Tembas aufgezeichnete Stimme klingt durch den Saal: „War ich immer so? Wir sehen einen Menschen zum ersten Mal, und für uns war er, war sie nie anders als in diesem Moment.“ Seine Worte berühren mich. Auch ich bin eine Person of Colour, auch mich treffen ständig Projektionen und Klischees. Oft sind es nur die Reflektionen anderer, das Spiegelbild ihrer eigenen momentanen Reise. Selbstzweifel fällt leicht, wenn alle dich anders – unterschiedlich – lesen.
Temba streichelt sein Gesicht. Hinter ihm erscheint das Bild einer älteren Schwarzen Frau. Wir hören eine weibliche Stimme. Sie beschreibt, wie sie Ziege zubereitete, gerade so, wie Temba es mag. Leichtigkeit durchzieht den Raum. Wir hören Temba mit der Frau lachen, realisieren schließlich, dass sie seine Mutter ist. Leuchtende Farben erhellen die Bühne, beschwingte Musik aus Haiti setzt ein. Nach und nach erfassen die Klänge Tembas Körper. Der Rhythmus wandert von seinen Füßen zu seinen Hüften, erreicht dann seine Lippen. Temba lässt es zu. Er lächelt, genießt den Augenblick. Er tanzt, als wäre er bei einer Party, ein Fest zuhause, umgeben von Menschen, die er liebt und die ihn lieben, bis das Klirren zerbrechenden Geschirrs das Licht abrupt verändert, als würde ein Farbfilm plötzlich wieder schwarzweiß.
Er hält sich die Ohren zu, und wieder tauchen violette Silhouetten hinter ihm auf, changierend zwischen menschlicher Gestalt und undefinierbarer Form. Die projizierten Bilder wirken auf den Tänzer. Sie manipulieren ihn, derweil souliger Hiphop Sound ertönt. Temba tanzt zum Beat, übernimmt den mitreißenden Groove und das rasante Footwork, die den Urban Style prägen, in dem er geschult wurde. Irgendwann wird der Takt zu schnell, als dass er noch mitkommt, und er ergibt sich den Strippenziehenden. Auf der Leinwand hinter ihm geht die purpurrote Sonne auf.
Tembas Körper wird zum Roboter, die Moves ausgeführt im Staccato. Er soll den Erwartungen entsprechen. Doch er kämpft und wir sehen, wie er allmählich zu den soliden und verspielten Bewegungen zurückfindet, die seinen Tanz auszeichneten, bevor „die“ sein (Selbst-)Bild ruinierten. Er stampft auf den Boden, wirft die Arme hoch, schaut uns an und zerschmettert die Idee von dem Mann, den wir zu kennen glaubten, um uns ein Bild von dem Menschen zu zeichnen, der er werden könnte.
Übersetzung aus dem Englischen: Lilian Astrid Geese
Die Portrait Performance von Ashley Temba feierte am 5. Juli 2025 im Ballhaus Naunynstraße Premiere.