„Happyology – Tears of Joy“, Dragana Bulut © Dorothea Tuch

So So Happy. Oder: alles eine Frage der Übung

In „Happyology – Tears of Joy“ trainiert Dragana Bulut die Zuschauer*innen (ungefragt) in Posen der Selbstoptimierung.

Bevor ich diesen Text zu schreiben beginne, eine kleine Aufwärmübung: Hände in die Seiten gestemmt, Knie leicht gebeugt, Becken aus dem Hohlkreuz raus, Kinn angehoben, langer Hals, Blick entschlossen geradeaus gerichtet und….Lächeln. Öfter mal in Sieger*innen-Pose gehen. Weiter im Text.

Selbstoptimierung ist zum neuen Lifestyle geworden. Die Choreografin Dragana Bulut versucht mithilfe der Performer*innen Kareth Schaffer und Andrew Hardwidge der Ideologie hinter dem Imperativ zum Glücklicher-Sein auf die Spur zu kommen. Dabei bedient sie sich der Rhetorik und Distanzlosigkeit von aktuell florierenden Lebensberatungen und Coaching-Methoden um sie vorzuführen und ihre Wirkung zu erproben – die Aufforderung, sich mit einem Namensschild zu versehen lässt nichts Gutes ahnen – erstaunlich, wie leicht das mit der Manipulation doch geht: Standing Ovations nach Aufforderung in den ersten fünf Minuten. Bulut und Co schwören uns als Gemeinschaft ein, appellieren an unser Mitgefühl und setzen auf Gruppenzwang. Über die gesamte Performance werde ich meine Anspannung und Unentschiedenheit nicht los, versinke ich immer noch ein Stückchen tiefer in meinem Stuhl und hoffe so, nicht direkt angesprochen oder auf die Bühne zitiert zu werden. Gleichzeitig fühle ich mich schlecht dabei, die angeleiteten Übungen zu verweigern, möchte ich den Performer*innen doch nicht mit Ablehnung begegnen, den Ablauf nicht blockieren. Schon bald wird klar: „Happyology“ ist vor allem eine Anleitung zum Einverständnis. Das Stück stellt seine eigenen Strategien unverblümt zur Schau und zeigt genau darin die perfide Logik, den subtilen Zwang hinter den Glücksversprechen auf. Scheinbar harmlos-vertrauenswürdig schmiegt sich die Ideologie an uns heran, adressiert an unsere Eitelkeit und unsere Versagensängste mit griffigen Durchhalte-Floskeln. Andrew Hardwidge und Kareth Schaeffer haben die Handflächen ineinander gelegt, strahlen Ruhe, Zuversicht und Überzeugungskraft aus und treten an einzelne Zuschauer*innen heran: „Auf einer Skala von eins bis zehn: wie fühlst du dich heute?“, „Was in deinem Leben gelingt gut, welche Bereiche machen dir Schwierigkeiten und warum?“

Während die beiden überzeugend ihr Programm durchziehen und die Balance zwischen Einschüchterung und Verführung austarieren, klammere ich mich an das Stück Bitterschokolade, das als Geschenk unter unseren Sitzen versteckt wurde (gut für den Endorphin-Haushalt, überhaupt tut es gut, Geschenke zu bekommen und dafür dankbar zu sein) und kann mich neben den Schrecksekunden, wenn jemand in meine Richtung guckt, doch amüsieren und sogar zum Mitmachen anstecken lassen. So happy so irritiert hinterlässt mich dieses Spektakel, das mit den altbekannten, aber nicht minder wirkungsvollen Tricks der Überzeugung und des Entertainments spielt. Leicht verdaulich werden wir von einem Programmpunkt zu nächsten geleitet: Sprech-Chor, kleine Übungen zu Mitmachen, noch mehr Frage-Antwort-Spiele.

Nachdem einige Zuschauer*innen scheinbar offenherzig ihre persönlichen Schwächen und Stärken preisgegeben haben, versammeln sich andere bereitwillig zur Demonstration von Hinfallen, Aufstehen, Weitermachen. Auch wenn Dragana Bulut ihre Verwandlung zum Optimierungs-Zombi auch optisch vollbracht hat – mit glühenden Augen, grünen Zähnen, aufgerissenen Schlund taumelt sie selbstvergessen und in verzerrtem Gelächter über die Bühne, und Kareth Schaeffer mit Peitschenhieben zur Aktion auffordert, lassen wir uns den von unfreiwillig-freiwilligen Helfer*innen servierten grünen Smoothie am Ende trotzdem schmecken. Es ist dieses „Trotzdem“, was als Denkanstoß im Raum bleibt und woran „Happyology“ uns erinnert: die Verführung hinter dem Versprechen, dass alles noch ein bisschen besser geht.